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Zuvor ein Wort über Darstellungsgruppen und Waffen:
Zwar gibt es im Europa des Jahres 2002 schon eine einheitliche Währung,
und auch "Grenze" ist ein Fremdwort geworden. Woran es Europa aber noch
mangelt, ist eine einheitliche Gesetzgebung. Wenn es zur Darstellung der
lebenden Geschichte kommt, sei hier auf die einschlägigen nationalen Waffen-
rechte verwiesen- diese sind unbedingt zu beachten, will man nicht mit dem
Gesetz in Konflikt kommen.

Generell ist in den meisten europäischen Ländern
per Gesetz das Führen scharfer Waffen, oder deren
Verwendung mit Platzpatronen anläßlich einer Gefechts-
darstellung, verboten. Die Geschichtsdarsteller in
Deutschland haben - je nach Anlaß und Veranstaltung-
schon Probleme, Dekowaffen oder Platzpatronenwaffen
zu Führen. Selbst der Schützen- oder Traditionsverein muß
die Behörden um die Genehmigung bitten, Seitenwaffen
(Degen und Säbel) beim Umzug tragen zu können. Auch deaktivierte automatische
Waffen fallen in Deutschland unter das Kriegswaffenkontrollgesetz, auch deren
Nachbildungen Kunststoff oder Holz- mit wenigen Ausnahmen wie fest auf Schlitten
oder Lafetten montierte deaktivierte Modelle.
Abbildung: Deutsche Expeditionsstreitkräfte in China, 1901,
mit Gewehr 98 ausgerüstet.
 

In Italien sind Messer und Seitengewehre tabu- entweder muß die Klinge auf
unter 8 cm gekürzt werden, oder man verwendet Nachbildungen aus Plastik
oder Holz. Englische Reenactor haben das Schnitzen von Attrappen auto-
matischer Waffen zur Blüte gebracht, das ist nach dem englischen Gesetz
vollkommen in Ordnung.

Insofern an dieser Stelle die Bitte an alle zukünftigen Reenactor: Informiert
Euch genau über die jeweils geltenden Gesetzesbestimmungen-der Verein
oder die Darstellungsgruppe ist dabei bestimmt gerne behilflich.



Nachfolgend sind die Handfeuerwaffen beschrieben, die in der alten Armee
geführt worden. Diese Fülle ist leider- aufgrund der o.a. Gesetzeslage- nicht
voll darstellbar. Im Prinzip steht nur eine beschränkte Auswahl an Dekorations-
und Salutwaffen zur Verfügung.


Pistolen und Revolver

Im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 dominierten bei den Gewehren
auf beiden Seiten die Zündnadelsysteme. In Bezug auf kleinere Waffen waren
die Franzosen den Deutschen weit überlegen: Sie führten Revolver mit Metall-
patronen. Auf deutscher Seite waren Revolver nur akls privat beschaffte
Waffen im Einsatz. Die preußischen Truppen waren standardmäßig mit dem
Pistolenmodell 1850 ausgerüstet: Eine einläufige Vorderladerpistole mit
Perkussionsschloß. Besser ausgerüstet war nur die preußische Marine, die
amerkanische  Perkussions-Vorderlader-Revolver der MArke Colt führte.

Erst Anfang der 80er Jahre wurde der
Truppe eine neue Bewaffnung zugeführt-
der Armee-Revolver 79 ("Reichsrevolver") .
Eine sechsschüssige Waffe für Zentralfeuer-
patronen, in den Abmessungen der Pistole
50 nicht unähnlich- so konnte das vorherige
Holster weiterverwendet werden. Selbst die
Laufgestaltung mit (technisch ohne Grundlage)  Mündungswulst sollte wohl
eher die Abnahmekommission an die Vorgängerwaffe erinnern und postiv
deren Entscheidung beeinflußen. Abb: Armee-Revolver 79  ("Reichsrevolver lang")

Diese Waffe war nicht der große Wurf; wenig später wurde ein überarbeitetes
Modell als Armee-Revolver 83 eingeführt. Im gleichen Kaliber gehalten, wurden
hier im wesentlichen die Abmessungen und damit das Gewicht reduziert. Als Be-
sonderes Kontruktionsmerkmal weisen beide Waffen eine für Revolver untypische
Hebelsicherung auf. Beide Revolvermodelle gehörten bis zum Vorabend des Welt-
kriegs zur Standardbewaffnung der deutschen Streitkräfte, und wurden erst
1912 aus der Strukturbewaffnung gestrichen. Die Armee-Revolver 79 und 83
wurden im Depot eingelagert und in der Herbstkrise 1914 erneut an die Truppe
ausgegeben. 1915 wurden alle Bestände wieder an die Depots abgegeben und
zur Ausrüstung rückwärtiger Verbände verwendet.  Nach dem Weltkrieg wurde
ein Großteil der Revolver auf dem zivilen Markt abgesetzt; die letzte Fertigung
der dazugehörigen Patronen läuft bei allen  Herstellern Anfang der 1930er
Jahre aus.

In den 1890er Jahren - aufgrund der Verbesserungen in der Munitionsherstellung-
erschienen auch erste Konstruktionen  halbautomatischer Repetierpistolen. Ins-
besondere die Einführung des neuen, "rauchlosen" Nitropulvers, beschleunigte
die Entwicklung ungemein. Als Verkaufsschlager erwies sich die 1895 zum Patent
angemeldete Mauser-Pistole 96 oder Construction 96 -nebst deren Patrone
7.63 mm Mauser 7,63 x 25, letztere trotz des kleinen Kalibers des Geschoßes,
aber der- durch die Flaschenform der Hülse bedingten- Wirkung der Pulverladung
die stärkste Patrone ihrer Zeit. Die Mauser C96 avancierte zu einetr der belieb-
testen Waffen, und wurde in mehr als 140.000 Stück bis 1914 verkauft- zumeist
an Armeen fremder Staaten., einschließlich des zaristischen Rußlands. Der
Streifenlader mit halbverriegeltem Verschluß entsprach nicht den Anforderungen
der deutschen Militätkommission, die über eine Ablösung der betagten Armee-
Revolver 79 und 89 zu entscheiden hatten.

Abb.: Pistole Mauser C96  7,63 mm Mauser          Mauser C96 mit Anschlag- und Verwahrkasten.
Die Pistole C96 hat dennoch den Weg in die Strukturbewaffnung gefunden-
im Weltkrieg wurden ca. 250.000 Pistolen C96 im Originalkaliber, sowie abgeändert
auf das Ordonnanzkaliber 9 mm Parabellum, an die deutschen Truppen ausgeliefert.
Letztere sind in Sammlerkreisen besonders begehrt, und tragen eine in die Griffschalen
eingefräste und rot eingelegte große "9", um anzuzeigen, daß sie für die 9mm Patrone
eingerichtet sind.

Standardwaffe des deutschen Heeers wurde indessen die berühmte Pistole 08.
Der Deutsch-Amerikaner Hugo Borchardt hatte 1895 eine Konstruktion einer
halbautomatischen Pistole vorgelegt, bei der die Verriegelung über eine Knie-
gelenk  erfolgte. DIese Pistole war technisch ausgereift, litt aber an den en-
ormen Abmessungen und war praktisch unverkäuflich. Georg Luger überarbeitete
die Konstruktion, und verbesserte u.a. den Griff, den Verschluß, den Auswerfer
und andere Details. Im Prinzip die gleiche Waffe, aber wesentlich kompakter.
1899 begann die Produktion der Parabellum-Pistole im Kaliber 7,65.
( "Parabellum" als Signet in der Fernschreiber-Adresse der Luger Fabrik:
  Horaz: Si vis pacem, para bellum - wenn Du Frieden willst, rüste für den Krieg)

Abb: Pistole 08 9 mm Parabellum   Die Waffe wurde 1900
in der Schweiz als Ordonnanzmodell eingeführt, im
Originalkaliber 7,65 und mit einer Handballensich-
erung, wie sie später von der amerikanischen
Armeepistole 1911 übernommen wurde. Über die
Modelle 1900,1902,1903 führt der Weg zur
Pistole (19)04, die in diesem Jahr von der kaiserlichen Marine angenommen
wurde. Abgesehen von einem längeren Lauf, verdient hier insbesondere das
Kaliber das Hauptaugenmerk: An Stelle der Patrone 7,65 Borchardt wurde hier
zum ersten Mal das direkt aus der Patrone Mauser 7,63 entwickelte  Kaliber
9mm Parabellum (Luger) verwendet.

Mit verkürzten Lauf wurde die Pistole 04 1908 als Pistole 08 zur Ordonnanzwaffe
erklärt und folgend in großen Stückzahlen hergestellt. Ca. 1,5 Millionen Pistolen
wurden bis 1918 ausgeliefert, darunter ab 1917 eine spezielle Ausführung mit
stark verlängertem Lauf, Schiebevisier, Anschlagbrett und Trommelmagazin für
Artillerietruppen, die dort die Hauptbewaffnung mit Karabinermodellen des
Gewehrs 88 und 98 ersetzen sollten. Diese Version der "langen" Pistole 08
wurde häufig auch als Bewaffnung an Angehörige von Sturmeinheiten im
Grebenkrieg ausgegeben.

Nicht aus deutscher Produktion stammende Waffen
wurden- insbesondere im Weltkrieg- von deutschen
Truppen verwendet. HIerzu zählen natürlich alle Arten
von Beutewaffen, die unmittelbar von den Fronttruppen
wieder verwendet wurden, bzw. als "Prestigewaffen"
getragen wurden. Bereits vor dem Weltkrieg wurden
von Offizieren, die in der Wahl ihrer Waffe frei waren,  in- und ausländische
Pistolen und Revolver angeschafft, die nicht den eingeführten Ordonnanzmustern
entsprachen. Hierzu zählen insbesondere in Belgien und Deutschland angefertigte
Kopien des englischen Enfield-Revolvers, sowie jegliche Muster aller jemals her-
gestellten halbautomatischer Pistolen. Insbesondere beliebt war die bereits erwähnte
Mauser-Pistole C96 (ohne Anschlagkasten), aber ehr diekleineren und leichteren
Pistolen im 7.65 Browning, die ohne weiteres auch in der (damaligen großen)
Hosentasche zu tragen waren.
Abbildung: "Browning-Pistole" (FN 1900, 7,65 Browning)

Sehr weit verbreitet ( Mit einer Stückzahl von 2 Millionen vor 1914 und drei
Millionen bis 1934) war in allen europäischen Ländern die Pistole 1900 FN,
sowie deren Nachfolgemodell 1910. Beliebte Waffen waren weiterhin die
Mauser-Pistolen 1910 und 1914, sowie Konstruktionen von Steyr und Sauer.
Auf vielen zeitgenössischen Bildern ist- jenseits aller Vorschriften stehend-
zudem zu sehen, was die Soldaten des Weltkriegs umgeschnallt tragen,
und was in deutschen Geschäften und feindlichen Gräben verfügbar war:
Alles was schießt.


Das französische Chassepot-Gewehr
war das bessere der im 1870er Krieg
eingesetzen Zündnadelgewehre. Die
Konstruktion war schlichtweg 25 jünger
als das deutsche Pendant, wies eine verbesserte Abdichtung auf, verwendete eine
weiterentwickelte Munition und war dem Dreyse-Gewehr weit überlegen: Man konnte
damit schneller und weiter schießen. Das leistungsfähigste Gewehr war das in Bayern
eingeführte Werder-Gewehr, eine Einzelladerkonstruktion mit Fallblockverschluß, das
Metallpatronen verschoß. Damit waren aber nur ganze fünf bayerische Bataillone aus-
gerüstet.

Daß das Dreyse-Modell unterlegen war, war den Preußen schon vor dem Krieg bekannt.
Eine modifizierte Version lief der Truppe zu, wurde aber bei Kriegsausbruch aus logistischen
Gründen wieder eingezogen und fand den Weg in die Landwehr- und Ersatzeinheiten.
Bereits während des Krieges wurden preußische (Kavallerie-) Einheiten mit erbeuteten
französischen Gewehren ausgestattet. Nach 1871 zählte man eine Kriegsbeute von
600.000 Chassepot-Gewehren, welche in nicht geringem Umfang- samt Seitengewehr-
nach Neubeschuß und mit Abnahmestempel an die Truppe ausgegeben wurde. Aber
eigentlich war die Zeit des Zündnadelgewehrs abgelaufen.

Nach Vorbild des bayerischen Werdergewehrs sollte- nach der Reichsgründung numehr
bundesweit*- eine neue Einheitspatrone eingeführt werden.
* In der föderativen Reichsverfassung lebt der Bundesbegriff des Deutschen Bundes fort-
  die einzelnen deutschen Staaten werden als Bundesländer bezeichnet.

Durch die fortgeschrittene technische Entwicklung war es Anfang der 1870er Jahre
nunmehr möglich, einteilige, selbstabdichtende Patronenhülsen herzustellen. Die Kon-
strukteure orientierten sich in vielen Details an der Munition für die bayerische Werder-
Waffe. Das Werder- als auch das Chassepotgewehr waren auch leicht mit relativ
wenigen Änderungen an die neue Einheitspatrone anzupassen, sofern das nötige
Fachwissen, heute würde man know-how sagen, vorhanden war.

Die bayerischen Truppen wollten das exzellente Werder Gewehr beibehalten, in Preußen
und den anderen Bundesländern  taucht zu diesem Zeitpunkt der Name  Mauser erstmals
auf. Von den Gebrüdern Mausern wurde eine Konstruktion mit Zylinderverschluß vorgelegt,
die verschiedener Details vorhandener Konstruktionen aufwies, aber als Neukonstruktion
wenn nicht als revolutionäre, doch als brauchbarste Lösung angenommen wurde: Das
Gewehr 71.

Ein erhoffter Staatsauftrag für die Fertigung blieb aus, stattdessen wurden die Erfinder mit
einer geringen Prämie abgespeist und zudem zur Geheimhaltung Ihres Patentes verdonnert.
Der zwischenzeitlich in Bayern eingeschlagene Weg, die vorhandenen Werder-Systeme
truppenseitig abändern zu lassen, erwies sich als fatal: Während die in der Fabrik abgeän-
derten Gewehre oder die dort gleich für die neue Einheitspatrone gefertigten Exemplare
einwandfrei funktionierten, kam es bei den truppeneigen abgeänderten Gewehren zu
Zündversagern, und schlimmer noch, Blockieren des Systems. Der Fallblockverschluß
verlangte präzise Änderungen, die nicht durchgängig erfolgten. . Schließlich führte auch
Bayern das Gewehr 71 ein.