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An dieser Stelle eine interessante Übersicht von Johannes Bruns, kaiserlicher Postrat,
aus dem Jahre 1907 über den Stand der Kommunikationseinrichtungen in den deutschen
Schutzgebieten. Dieses Kapitel ist dem Buch von J.Bruns „Die Telegraphie in ihrer
Entwicklung und Bedeutung"
, Druck & Verlag Teubner/Leipzig 1907, entnommen.

Telegraphen- und Fernsprecheinrichtungen
in den deutschen Schutzgebieten.

J.Bruns.
Cöln im Juni 1907

Bei den Kämpfen in Deutsch-Südwestafrika ist oft die Beobachtung gemacht  worden, daß die herumstreifenden Herero- und besonders Hottentottenbanden  sich untereinander über die Bewegungen der eigenen und der deutschen Streit- kräfte zu verständigen imstande waren. Die Naturvölker besitzen eine erstaun- liche Fähigkeit, die nackten Sinne so zu üben, daß die Eingeborenen auf weite  Entfernungen durch akustische Nachrichtenübermittlung sich verständigen können.  In Kamerun hat sich eine im größten Teil von Afrika heimische derartige Telegraphie zu großer Blüte entwickelt. Die telegraphischen Zeichen werden von  den Eingeborenen mittels einer Trommel, die ndimbe genannt wird, gegeben.  Sie ist in den Dörfern vor der Hütte des Häuptlings auf einem hohen Baumstumpf  als Palavertrommel aufgestellt. Jeder auch nur halbwüchsige Eingeborene ist imstande, sich auf der Trommel verständlich zu machen. Je nachdem mit einem  Holzklöppel an dem einen oder anderen Ende der Trommel aufgeschlagen wird,  werden verschiedene Töne hervorgerufen.

Das Signalsystem ist so ausgebildet,  daß die Ortschaften mit dessen Hilfe jederzeit in einem drahtlosen Telegrammverkehr miteinander treten können. Innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Zeit  kann auf diese Weise das ganze Kamerungebiet von einem wichtigen Ereignis  in Kenntnis gesetzt werden. Im Schutzgebiet Togo wird von den Eingeborenen eine 1,5 m hohe Trommel,  deren Durchmesser 50-70 cm beträgt, in ähnlicher Weise benutzt. Gewöhnlich  ist sie mit einem ungegerbten Tierfell überspannt, die Haare nach innen. Wer  sich den Luxus gestatten kann, nimmt ein Elefantenohr, das zwei Trommelfelle  liefert. Die große Trommel wird mit zwei hakenförmigen Stöcken geschlagen.  Zur „großen Trommel" gesellen sich zwei sogenannte Tombani. Sie werden als  „Mann" und „Weib" bezeichnet, merkwürdigerweise die mit der tieferen Stimme  als „Weib". Zu einem vollkommenem Spiel kommen dann noch zwei „kleine Trommeln", die mit den Händen bearbeitet werden. Im ganzen Lande sind die Trommeln  auf einen Ton gestimmt. Mit Hilfe dieses Trommelspiels können nicht nur verständ- liche Töne ausgetauscht, sondern ganze Musikstücke aufgeführt werden.  Jeder besondere Vorfall wird weiter „getrommelt", z.B. die Erlegung eines wilden  Tieres, eine Hinrichtung usw.

Im Bereich des Kongo rufen die Neger akustische Signale entweder auf dem  Tamtam oder auf ausgehöhlten Elefantenzähnen hervor. Letzteren können sie  mit Hilfe einer Scheibe aus Baumrinde sieben verschiedene deutlich voneinander  zu unterscheidende Töne zu entlocken. Es ist gelungen, hiermit Botschaften in  einem Tage auf eine Entfernung bis 300 km zu verbreiten. In Deutsch-Südwestafrika ist mit günstigem Erfolg der Heliograph in Gebrauch, d.h. die Übertragung  von Nachrichten von Ort zu Ort mittels Sonnenspiegels. Von dieser Einrichtung  hatten die Engländer im Zulukriege oft Gebrauch gemacht und sie als zweckmäßig erprobt. Die Sonnenstrahlen werden mit einem oder zwei Spiegeln von einem er- höhten Punkte aus reflektiert. Der bewegliche Spiegel ist mit einer federnden Taste  verbunden. Man stellt nun das Licht so ein, daß die Gegenstation bei herabgedrückter Taste das Licht sieht. Läßt man die Taste los, so verschwindet das Licht.  Die Anwendung kurzer Lichtblitze und langer Lichtzeichen, entsprechend den Punkten des Morsealphabets, ermöglicht die Verständigung. Nachts oder bei wolkenbedecktem Himmel wird Azethylen- oder Kalklicht benutzt. Die Tagapparate wirken bis etwa 90 km, die Nachtapparate bis 120 km.

Bis Mitte 1902 wurden durch die Linien Windhoek-Rehoboth-Gibeon- Keetmanshoop der Süden und Karibib-Omaruru-Outjo der Norden mit dem Regierungssitz verbunden. Diese beiden Linien wurden durch 18 Stationen bedient, welche mit je einem bis zwei Mann der Schutztruppe besetzt sind. Wenn auch die Einrichtung in erster Linie für Verwaltungs- und militärische Zwecke bestimmt ist, so steht sie doch auch dem Publikum gegen mäßige Gebühren zur Verfügung und wird auch oft benutzt. Bei einer Mindesttaxe von 2 Mark beträgt die Wortgebühr 20 Pfennige. Welche Zeitdauer eine Nachricht z.B. von Windhoek nach Keetmanshoop (etwa 500 km Luftlinie) gebraucht, hängt wesentlich von der Witterung ab. Unter günstigen Verhältnissen kann sie in 5-6 Stunden befördert werden. In der Minute können etwa 2 Worte weitergegeben werden. 

Wie im Burenkriege so haben sich die Heliographen auch im Hererokriege gut bewährt. Neben leichter Bedienung und sofortiger Verwendbarkeit kommt das leichte Gewicht des auf einem Dreifuß ruhenden Spiegels zustatten. Der ganze Apparat ist kaum schwerer als ein Gewehr und kann bequem auf dem Pferde mitgeführt werden. Die Heliographisten saßen wochenlang auf öder einsamer Höhe, der Witterung und feindlichen Überfällen ausgesetzt, Tag und Nacht im Dienst: Geisttötend, Sinne und Nerven aufregend. Wenn auch schon die heliographischen Einrichtungen einen erfreulichen Fortschritt gegenüber früher bedeutet, wo selbst bei größter Ausnutzung von Menschen und Pferdematerial Nachrichten von Keetmanshoop und Outjo bis Windhoek 7 bzw. 5 Tage bedurften, so kann doch der Heliograph nur als Notbehelf gelten. Die Funkentelegraphie ist ja auch nicht unbeschränkt verwendbar.

Es bedarf keiner Erörterung, von welcher Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung, für die Sicherheit von Person und Eigentum in den Schutz- gebieten ein tunlichst ausgedehntes Netz von Telegraphen- und Fern- sprecheinrichtungen ist. Die Schranken, welche einem raschen Vorgehen gezogen sind, liegen zunächst in der finanziellen Unselbständigkeit der Schutzgebiete, ferner darin, daß es sich nicht rechtfertigen läßt, Summen für die bezeichneten Zwecke aufzuwenden, die außer Verhältnis zu der Entwicklung der wirtschaftlichen Lage in den Schutzgebieten stehen, es sei denn, daß besondere Interessen und außergewöhnliche Verhältnisse den Ausbau erforderlich machen.

Bei dem Bau von Telegraphenlinien in unseren Schutzgebieten muß selbst- verständlich von den in Europa geltenden Vorschriften in den meisten Punkten abgewichen werden. Die Ausnahme beginnt schon bei der Wahl des Materials für die Stangen. Holzstangen lassen sich in den meisten Gegenden Afrikas wegen der Zerstörungswut der Termiten nicht verwenden, denen weder einheimische noch fremde Hölzer standhalten. In Lome und Kamerun hat der Stamm der Agopalme, der sich in der Mitte verdickt und nach oben wieder verjüngt, gebraucht werden können. Allgemein dienen die nahtlosen Mannesmannröhren als gutes Stangenmaterial, teils in einer, teils in zwei Längen, 6½ - 8½ m. Zur Herstellung der Leitung dient Bronzedraht von 3-4 mm Durchmesser. Er kann 8 Biegungen im rechten Winkel aushalten ohne zu spalten oder zu brechen, hat eine absolute Festigkeit von 125 kg auf das Quadratmillimeter Querschnitt und einen Leitungswiderstand von nicht mehr als 17,5 S.E. bei 15°C.

Dieses Material hat sich bis jetzt gut bewährt. Es hat sowohl den atmo- sphärischen als auch den gewöhnlichen mechanischen Einwirkungen gegenüber standgehalten Die Eingeborenen lassen die Hände mit vereinzelten Ausnahmen davon; fromme Scheu vor dem geheimnisvollen Draht, aber auch die Scheu vor empfindlicher Strafe sind Abschreckmittel. Das Bezirksamt warnt vor mutwilligen Beschädigungen; für frevelhafte Störungen haftet der Jumbe des Dorfes. Freilich, wenn rohe Kräfte sinnlos walten, z.B. wenn Flußpferde, die namentlich zur Regenzeit hinausgehen, an den Stangen ihre ungeschlachten Körper reiben, oder wenn die Giraffe auf schneller Flucht vor dem Verfolger den langen Hals in den Drähten verwickelt und an ihm zerrt, dann halten auch die stärksten Materialien nicht mehr stand.

Nachdem die Linie ausgekundet worden, d.h. soweit als möglich die Richtung des Weges für den Bau festgelegt ist und die Materialien- Stangen, Draht, Arbeitsgeräte, Vorratsmaterial, Apparate und Apparatteile- beschafft worden sind, beginnt die Herstellung. Da heißt es zunächst die erforderlichen Kräfte,Träger und Arbeiter, beschaffen. Es geschieht mit Hilfe der Regierung. Zum Tragen der 30-31 kg schweren Stange gehören zwei Mann. Ein einzelner Mann würde sich mit der langen Stange auf den schmalen, verwachsenen Negerpfaden, die auf 6 m oft schon 3 bis 4 Krümmungen machen, nicht fortbewegen können. Je nach der Gegend müssen alle Nah- rungsmittel und auch das Wasser mitgeschleppt werden. Die Beschaffung eines ausreichenden Personals macht oft die größten Schwierigkeiten. Ist es glücklich zusammen, so werden die besten und intelligentesten ausgesucht, um in den einfachen Arbeiten und Verrichtungen notdürftig unterrichtet zu werden. Die Löhnung beträgt in Ostafrika bei siebenstündiger Arbeit monatlich 13 Rupien1, dazu täglich 2½-3 englische Pfund2 Reis, 2 Löffel Fett, alle 1-2 Tage eine Zwiebel, außerdem jeden Monat je nach der Zahl ein Rind. Es kommt vor, daß die Arbeiter nach empfangenem Monatslohn sich seitwärts in die Büsche schlagen und dann auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Alle Mühseligkeiten beginnen von neuem.


Der zu benutzende Weg muß erst angelegt werden, die Negerpfade eignen sich nicht. Sie ziehen sich durch hohes Gras, dorniges Gestrüpp, dichte Wälder ähnlich dem Laufe eines Baches in tausendfachen Windungen dahin. Es muß daher auf der ganzen Strecke ein Durchhau von 2 m Breite geschaffen werden. Es geschieht auf einem Tagesmarsch voraus mit Hilfe des Beiles und des Buschmessers, das dem früheren preußischen Faschinenmesser ähnlich ist. Die Arbeit wird von etwa 25 Negern unter Leitung eines Europäers ausgeführt, sie ist mühsam und zeitraubend. Der Weg muß so breit sein, daß der Leitungsdraht nach jeder Seite frei von Gestrüpp ist. Es kommt vor, daß in 3 Tagen noch nicht ganz 500 m Weg gebahnt werden. Nun wird die Linie abgezählt; in Abständen von 80-85 m bei gerader Richtung und 65-70 m bei Krümmungen wird ein Markierungspfählchen aufgestellt mit weißen Fähnchen. Es werden Löcher zum Aufstellen der Stangen gebohrt. In Lehm- und Sandboden ist es leicht. Meistens aber sitzt unter der 50-80 cm dicken Humusschicht harter Lehmboden mit Kieselsteinchen durchsetzt.

Da reichen Spaten und Hacke nicht aus, auch der Erdbohrer nicht; es muß vielmehr der Sägebohrer genommen werden, zu dessen Handhabung zwei Mann gehören. Es wird eine Leitung eingezogen. Ein möglichst langer Kerl nimmt den Drahtring auf die Schulter, tänzelt voran und wickelt unter Beihilfe eines Arbeiters den Draht ab. Zum Einrichten und Befestigen gehören wieder andere Kräfte. Häufige Regenschauer, Gewitter mit sintflutähnlichen Wassermengen erschweren den Fortgang der Arbeiten. Schnell ist das Gras wieder emporgewachsen, es wird grün und saftig, läßt sich nicht mehr abbrennen, anstrengend und mühsam, ungesund und obendrein ist der Marsch bei 50° C in der Sonne. Die Arbeitszeit beträgt etwa 7 Stunden täglich, von 6-11 vormittags und von 3-5 nachmittags. Nach getaner Arbeit muß der Bauführer für ein geeignetes Lager sorgen mit dem nötigen Schutz gegen Überfälle. Zum Betriebe werden Morse- und Fernsprechapparate benutzt.

In Kamerun ist für die Rechnung der Kolonialverwaltung im Jahre 1901 eine 20 km lange Fernsprechlinie hergestellt, die Victoria und Buea verbindet. Sie dient auch dem Telegraphenverkehr und wird von der Reichstelegraphenverwaltung betrieben. Ferner besteht eine Landlinie Buea-Duala, deren Bau infolge Legung eines Kabels durch den Kamerunfluß große Schwierigkeiten machte. Der Anschluß an das Weltkabeknetz konnte nicht sofort erfolgen. Es mußte ein Vertrag mit der African Direct Telegraph Company abgeschlossen werden, die es übernahm, bei Herstellung von Kabeln an der Westküste Afrikas Duala mit der im Nigerdelta gelegenen englischen Station Bonny zu verbinden, welche ihrerseits durch Kabel über Braß-Lagos-Accra-Sierra Leone- Bathurst und St.Vincent mit den Kabeln der Brazilian Submarine und der Eastern Telegraph Company verbunden sind. Das Kabel Duala-Bonny ist 337 km lang, der Vertrag ist auf 20 Jahre abgeschlossen, die Miete beträgt 6.700 Pfund Sterling2 jährlich. Von Duala führt eine Linie nordöstlich über Bonambasi bis Jabassi, südlich über Lobethal bis Edea, Kribi und Malimba. Die Verbindung Kribi-Lolodorf ist 1905 hergestellt und wird bis Jaunde verlängert.

Togo ist durch Überlandtelegraphen mit der englischen Goldküstenlinie und mit der französischen Kolonie Dahomey verbunden. Die Linie ist von Klein-Popo über Lome geführt, ist etwa 50 km lang und wurde 1893 fertiggestellt; in Lome und Klein-Popo wurden Reichstelegraphenanstalten eröffnet. In ähnlicher Weise wurde der Anschluß nach Dahomey geführt, der 1895 dem Verkehr übergeben werden konnte. In Kotonn ist Verbindung an das bereits genannte Kabel der West African Telegraph Company. Klein-Popo ist mit Sebbe, dem früheren  Regierungssitz, durch Fernsprecher verbunden. Im Jahre 1903 wurde mit dem Bau einer Landlinie von Lome nach dem großen und wichtigen Handelsplatze Agome-Palime begonnen. Dieser Ort liegt in wasserreicher Gegend und ist ein Stapelplatz für Landesprodukte, vorzugsweise Palmkerne, Palmöl und Gummi. Es gibt dort und in der Umgegend mehrere Faktoreien, die Steyrer Mission hat eine Niederlassung, und von hier führen über den François-Paß bei Misahöhe die Straßen nach den westlichen Bezirken des Hinterlandes. Lebhafte Beziehungen herrschen infolgedessen zwischen Agome-Palime und der Küste.

Trotz aller Schwierigkeiten wurde die 114 km lange Leitung bis zum 31. Dezember fertiggestellt. Beim Bau ereigneten sich zwei Zwischenfälle, welche so recht die mancherlei Zufälligkeiten kennzeichnen, die in den Schutzgebieten derartige Arbeiten aufhalten können. Unter den vom Gouvernement gestellten Arbeitern befanden sich eine Anzahl früherer Soldaten der Regierungsstation Kete-Kratschi. Sie hatten sich an einer Meuterei beteiligt und mußten in Lome ihre Strafe verbüßen. Den Rest verbrachten sie als Strafarbeiter und waren als solche den Bauarbeitern zugeteilt worden. In Assáhun wurde ihnen die Nachricht ihrer Freilassung überbracht, und nun waren sie nicht mehr zu halten. Es mußte Ersatz beschafft werden, der geraume Zeit gebrauchte, sich mit den Arbeiten vertraut zu machen. Für einen Entlassenen aber war ein passender Ersatzmann schwer zu beschaffen. Es war ein baumlanger Neger, der vermöge seiner unerschütterlichen Ruhe sich vortrefflich zum Abtanzen der Drahtringe eignete und den dünnen empfindlichen Bronzedraht zur größten Zufriedenheit abgewickelt hatte.

Zur weiteren Erschließung und Sicherung des Inneren sind zwei Linien vorgesehen. Die eine soll von Lome über Tsevie und Nuatya nach dem 166 km entfernten Atakpame, die andere in einer Länge von 65 km von Anecho über Agome-Seva und Agome-Klossu nach Tokpli führen. Beide Linien durchqueren stark bevölkerte Gegenden, wo sich außer den Missionen mehrere kaufmännische Niederlassungen befinden. Die Telegraphenlinie nach Tokpli wird in der Hauptsache am Monofluß stromaufwärts geführt. Der Mono ist die wichtigste Verkehrsstraße im östlichen Teile des Schutzgebietes und bis Tokpli etwa sieben Monate im Jahre mit Kähnen befahrbar.


Deutsch-Südwestafrika hat seit 1899 von Swakopmund aus Anschluß an das Kabel Mossamedes-Kapstadt. Das Anschlußkabel ist von der Eastern and South African Telegraph Company gelegt worden, bis 1919 gegen eine Miete von 4.500 Pfund Sterling2 jährlich überlassen. Die Telegraphenanstalt in Swakopmund wurde am 13. April 1899 für den internationalen Verkehr geöffnet. Die Gelegenheit zur Erweiterung des Telegraphennetzes bot sich zunächst durch den Bau der Eisenbahn Swakopmund-Windhoek. An dem eisernen Gestänge des Eisenbahntelegraphen wurde eine 3 mm starke Bronzedrahtleitung der Reichstelegraphenverwaltung gelegt und in den Stationsorten Telegraphenbetriebsstellen eröffnet. Swakopmund, Windhoek und Okahandja erhielten Ortsfernsprecheinrichtungen. Von Windhoek aus gingen Heliographenverbindungen nach Gibeon und Outjo. Nach Süden ist jetzt zwischen Windhoek und Keetmanshoop eine Telegraphenlinie hergestellt, die nach Lüderitzbucht und Warmbad verlängert werden soll. Die Linie Swakopmund-Omaruru wird nordwärts bis Tsumeb fortgeführt.

Deutsch-Ostafrika ist schon 1890 durch das Unterseekabel Sansibar- Bagamoyo-Dar es Salam mit dem internationalen Telegraphennetz verbunden worden. Die in Sansibar landenden Kabel nach Aden uns Mosambik über Laurenço-Marques nach Durban gehören der „Eastern and South African Telegraph Company". Sie legte auch das Kabel nach Bagamoyo mit Verlängerung bis Dar es Salam, etwa 140 km, Miete 5.000 Pfund Sterling2 jährlich bis 1910. Die ersten Telegraphenanstalten wurden in Bagamoyo am 18. und in Dar es Salam am 22. September 1890 eröffnet. Von diesen Stützpunkten aus wurde das Netz nach Norden bis Tanga und nach Süden bis Kilwa ausgedehnt. In allen Zwischenorten Saadani und Pangani, nach der anderen Seite in Mohorro, wurden Telegraphenbetriebsstellen eingerichtet. Beim Bau mußte der Pangabifluß mit einem 410 m langen Kabel durchquert werden. Der telegraphische Verkehr nahm derart zu, daß schon im August 1893 der Bau einer Landlinie, die für den Telegraphen- und Fernsprechverkehr bestimmt ist, begonnen werden mußte; die südliche Linie wurde von Lindi nach Wikindani ausgedehnt. Die ganze Linie von Tanga und Mikindani ist 730 km lang; sie erschließt die Küste des Schutzgebietes dem Telegraphen- und Fernsprechverkehr, so daß stets eine Verständigung mit dem Hauptorte Dar es Salam möglich ist.

Um auch im Inneren des Schutzgebietes die bei den mangelhaften Wege- verhältnisses doppelt wertvollen Vorteile eines schnellen und direkten Nachrichtenaustausches zu verschaffen, wurde die Erbauung eines Zentraltelegraphen von Dar es Salam über Mafisifähre-Mrogoro-Kilossa- Mpapua-Kilimatinde-Tura-Tabora nach dem Tanganjika-See 1901 in Angriff genommen. Es handelt sich hierbei um große Entfernungen, bis Mpapua 400 km, weiter bis Tura 365 km. Zur Ausforstung dichter und undurchdringlicher Dornbüsche waren bis 400 Arbeiter, zur Fortschaffung der mehr als 12.000 Lasten Tausende von Trägern erforderlich. Zur Herstellung der Linie Mpapua-Tura (365 km) wurden allein über 5.000 Telegraphenstangen von 6,5 und 8,5 m Länge sowie etwa 24.000 kg Bronzedraht von 3 mm Dicke gebraucht. Von Tabora aus ist 1904 der Bau einer Anschlußlinie nach Muansa am Victoria-Nyansa  begonnen worden, eine Linie von etwa 320 km Länge. Diese Linie trägt der erhöhten Bedeutung Rechnung, welche die deutschen Gebiete am Victoria-Nyansa seit Inbetriebnahme der Ugandabahn erlangt haben. Die wirtschaftliche Aufschließung wird hierdurch beschleunigt, die Sicherheit vermehrt. Nach Durchführung der Linie bis Ujiji ist der Anschluß an den transafrikanischen Telegraphen erreicht, jene große Linie, die von England zur Verbindung von Kairo mit Kapstadt erbaut wird. Sie berührt das deutsch-ostafrikanische Schutzgebiet; wegen der Durchführung ist zwischen der deutschen Regierung und der „African Transcontinental Telegraph Company" unterm 15. März (28.Oktober) 1899 ein Vertrag abgeschlossen worden, der u.a. folgende Bestimmungen enthält:

1. Die Gesellschaft hat auf ihre Kosten zwischen den beiden den deutschen Grenzen am nächsten gelegenen Stationen von Rhodesia und   Britisch- Ostafrika einen Draht anzubringen, welcher für den Telegraphenverkehr von Deutsch-Ostafrika zu dienen bestimmt ist;
2. die deutsche Regierung behält sich das ausschließliche Recht vor, Telegraphenstationen in Deutsch-Ostafrika zu errichten und zu betreiben und in solche Stationen die für den Verkehr von Deutsch-Ostafrika bestimmten Drähte einzuführen;
3. Sicherung der Kontrolle, Zahlung einer Transitgebühr von 10 Centimen1 für das Wort an die deutsche Regierung;
4. Recht der unentgeltlichen Übernahme nach 40 Jahren;
5. die Gesellschaft ist verpflichtet, über ihre Linien alle ihr zugehenden Telegramme aus und nach Deutsch-Ostafrika zu dem allgemeinen Tarife zu befördern und ist bereit, die anderen zugestandenen Tarifermäßigungen auch bei den aus und nach Deutsch-Ostafrika beförderten Telegrammen zugute kommen zu lassen.

Nach Ausbau der Linien ist das Telegraphennetz dem des Kongostaats ziemlich nahe gerückt. Wenn dann der Kongostaat den Anschluß nach der französischen Küste in Westafrika hergestellt hat und die geplante Herstellung eines eigenen französischen Kabels zur Tat geworden ist, wäre nicht nur eine Abkürzung des Weges, sondern auch zugleich die Unabhängigkeit von englischen linien erreicht, was in wirtschaftlichem und politischem Interesse immerhin erwünscht ist. Ferner ist die Verlängerung der von Tanga in das Usambaraland führenden Telegraphen- und Fernsprechlinie bis Moschi geplant, um das Kilimandscharo-Gebiet zu erreichen. Der Ausbau der Linie von Korogwe über Mombo nach Wilhelmsthal ist in Angriff genommen. Kiautschau. Das Kiautschaugebiet ist seit dem 3. Oktober 1900 durch das reichseigene Kabel Tsingtau-Tschisu und Tsingtau-Schanghai an das internationale Kabelnetz angeschlossen. Durch Vermittlung des deutschen Postamtes in Schanghai gehen die Telegramme auf das deutsch-niederländische Kabel Schanghai-Jap-Guam über, wo sie den Anschluß an das amerikanische Pacific-Kabel nach San Francisco erhalten.

Fernsprecheinrichtungen.

Die Vorteile eines möglichst ausgedehnten Fernsprechnetzes in den Schutz- gebieten treten bei den schwierigen und unentwickelten Verbindungen besonders hervor. Die Eingeborenen machen von den Fernsprechein- richtungen schon deshalb gern Gebrauch, weil sie der Schrift meist nicht kundig sind. Ortsfernsprechnetze bestehen u.a. in Dar es Salam, Bagamoyo, Pangani, Tanga, Okahandja, Omaruru, Karibib, Swakopmund, Windhoek, Bonambasi, Buëa, Duala, Edea, Jabassi, Kribi, Malimba, Victoria. Ende 1905 waren vorhanden in:

Deutsch-Ostafrika 4 Ortsfernsprechnetze mit 65 Anschlüssen,
Deutsch-Südwestafrika     5                 " 231         "
Kamerun 9                 " 133         "
Kiautschau 1                 " 153         "
China 2                 " 205         "
Zusammen 21 Ortsfernsprechnetze mit 787 Anschlüssen.

 
1Währung: Umrechnungskurse 1913:
1 Pfund Sterling zu 20 Shilling à 12 Pence = Mark 20,40
1 französischer Franc zu 100 Centimes = Mark 0,81
1 Ostafrikanische Rupie zu 100 Heller = Mark 1,33 ˝
2Gewichte:
1 englisches Pfund = 454 g metrisch