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Heute wird in Übersee der Präsident der Vereinigten Staaten gewählt. Gewählt wird nach dem amerikanischem Wahl- system, das aus dem 18. Jahrhundert stammt und in der Verfassung festgeschrieben ist. Und weil den Amerikanern ihre Verfassung heilig ist, wird hier wohl auch keine Anpassung oder Reform des antiquierten Wahlsystems erfolgen. Das System unterscheidet sich so grundlegend von dem anderer Demokratien, daß es uns im Vergleich mit anderen Systemen befremdlich und geradezu undemokratisch erscheinen mag.

Bei Saldierung aller Einzelstimmen erhielt so bei der Wahl im Jahr 2000 der Kandidat der Demokraten zwar 48% aller
Stimmen, Präsident wurde aber der Kandidat der Repu- blikaner, der 47 % der Gesamtstimmen verbuchen konnte.

Kernpunkt des amerikanischen Systems ist, daß der Präsident nicht direkt vom Volk gewählt wird, sondern durch ein Gremium von Wahlmännern „Electoral College". Dies umfaßt 538 Köpfe ( 100 Repräsentanten des Senats, 435 für das Repräsentantenhaus, 3 für Washington D.C.) Die ameri- kanischen Bundesstaaten sind mit unterschiedlichen Anzahlen an Wahlmännern,im Verhältnis ihrer Sitze im Repräsentanten- haus, mindestens jedoch mit 3 Wahlmännern pro Bundes- staat, vertreten. Deshalb konzentriert sich der Wahlkampf auf die Staaten, die viele Wahlmänner stellen. (Kalifornien 55, New York 31, Florida 27). In fast allen Bundesstaaten ist das Wahlrecht absolut, d.h: Der Kandidat, der die meisten Stimmen in einem Bundesstaat erhält, erhält alle Stimmen der Wahlmänner dieses Bundesstaates ( „The winner takes all".)
In den Staaten Maine und Nebraska werden die Stimmen der Wahlmänner hingegen proportional gewichtet. Das Gremium der Wahlmänner wählt den Präsidenten; gewählt ist, wer mindestens 270 Stimmen des Gremiums erhält.

Dieses System stammt aus dem 18. Jahrhundert und war zur Zeit seiner Einführung zum einem auf die Infrastruktur passend zugeschnitten; zum anderen wollten die amerika- nischen Verfassungsväter, daß nur demokratisch erfahrene Wahlmänner an dieser Wahl entscheidend teilnehmen sollten.

Weil die Anzahl der Wahlmänner nach Bundesstaaten aber nicht der aktuellen Gewichtung - nach Bevölkerungszahl - entsprechen, ist auch ein Proporz nicht gewährt- so zählt eine Wählerstimme aus Idaho 17 mal soviel wie eine Wähler- stimme aus Kalifornien- gemessen an Bevölkerungszahl und Anzahl der Wahlmänner. 

Durch diesen Proporzmangel und das „Winner takes all" Ver- fahren ist also erklärbar, daß ein Kandidat der in der Summe der Einzelstimmen führt, dennoch nicht Präsident wird.

Dies ist das Wahlsystem, wie es aus der Verfassung  be- gründet wird und dessen Hauptkritikpunkte der Proporzmangel und die absolute Stimmwertung sind.

Wetere offensichtliche Mängel resultieren aus der Uneinheit- lichkeit des Wahlvorganges, weil jeder Bundesstaat eigene Wahlgesetze hat und die Vorbereitung und Durchführung der Wahl auch innerhalb eines Bundesstaates nicht einheitlich ist. Die Wahl wird papierlos oder mit Stimmzetteln durchgeführt; „sein Kreuz machen" ist für Amerikaner nur eine Möglichkeit.
Es werden Kreuze gemacht, Löcher gestanzt, an Maschinen Hebeln gezogen, auf Touchscreen-Bildschirme gedrückt usw.
Der Phantasie der Wahlleiter sind keine Grenzen gesetzt, auch beim Entwurf von Stimmzetteln. Berüchtigt der verwirrende „Schmetterling"-Wahlschein von Palm Beach County, der zur Verwirrung der Wähler entweder von einem Erstklässler auf dem Küchentisch oder in böser Absicht von der Wahlleiterin selbst entworfen wurde.


Palm Beach Schmetterling Stimmzettel: Stanzen Sie jetzt...
Die Durchführung der Wahl obliegt den Wahlleitern im je- weiligen County. Mancherorts kann man Briefwahl machen, andernorts nicht. In manchen Bezirken kann man nur am 2.11. wählen, in anderen auch schon vorher. In manchen Staaten und Counties gilt das Wort des Wahlleiters über die Ausgang der Wahl; Nachzählen von Stimmen ist mancherorts per Gericht verboten, andernorts nicht möglich, da Automaten oder Computer keine Belege drucken und der elektronische Speicher Hüter der abgegebenen Stimmen ist.

Nachteil ist hier klar zum einen die fehlende technische Möglichkeit, die korrekte Stimmauszählung überhaupt überprüfen zu können, zum anderen natürlich gesetzliche Regelungen, die Nachzählungen und Prüfungen schlichtweg verbieten.
 
Dazu kommt generell als weiterer entscheidender Unterschied zu z.B. Wahlen in Deutschland, daß nicht jeder Wahlberech- tigte automatisch zur Wahl zugelassen ist und vor der Wahl wie hierzulande sein Kärtchen als Wahlaufforderung im Briefkasten findet. In den USA muß man sich als Wähler registrieren lassen. Hier ist- neben technischen Unzuläng- lichkeiten - oftmals bemängelt, daß dieses System Manipu- lationen erleichtert. 

Hierzu müssen wir kurz abschweifen und erklären, wie denn die Parteien zu ihren Kandidaten finden. Diese werden zwar von den Parteien selbst auf ihren Konventen gekürt, doch gehen diese aus sogenannten Vorwahlen hervor. Hier unter- scheidet man zwei Verfahren- bei den sogenannten „offenen Vorwahlen" kann der eingetragene Wähler auf einem Stimm- zettel einen Kandidaten seiner Wahl ankreuzen, bei den sogenannten „geschlossenen Vorwahlen" wird ein Wahlmann, ein Delegierter für den Nationalkonvent der Partei, gewählt. Hierzu muß sich der Wähler aber für eine Partei entscheiden und sich für sie registrieren lassen. Da, wo letzteres Verfahren  gilt, weiß der Wahlleiter bei der Registrierung für die eigentliche Wahl denn auch, wie der potentielle Wähler wahrscheinlich stimmen wird.

Unter Berücksichtigung aller geschilderten Umstände ist es eher verständlich, warum die Wahl und ihre Durchführung oftmals die Juristen beschäftigt.

Am Ende dieser Wahl steht dann ein Präsident, der in seiner Amtszeit eine große Verantwortung für seine Nation trägt, weil sein Amt entsprechened der Verfassung eine große Machtfülle birgt. Zugleich Regierungschef und Staatsober- haupt, steht er der Regierung vor und macht die Politik. Er ist Chef einer Verwaltung, weil die Ressorchefs- bei uns Minister, in den USA Sekretäre- nicht eigenverantwortlich für ihr Ressort arbeiten. Insofern wird auch immer von einer „Administration" und nicht einer „Regierung" gesprochen.
Der Präsident ist der oberste Verwaltungschef und Oberbe-
fehlshaber der Streitkräfte und der Diplomaten, und kann
auch in die Gestzgebung mit Vetorecht eingreifen. Er kann Kriege erklären, Botschafter ernennen und ist in seiner Politik und seinem Handeln selbstverantwortlich.

Insofern bestehen entfernte Ähnlichkeiten mit der deutschen Verfassung von 1871, so daß man den Präsidenten in etwa als den Kaiser von Amerika bezeichnen könnte. Der Haupt- unterschied besteht natürlich darin, daß der Präsident für maximal zweimal vier Jahre gewählt wird, während der deutsche Kaiser immer der König von Preußen für seine gesamte Regierungszeit ist.

Abgesehen davon ist auch dem Preußen von etwa 1904 das amerikanische System wohl weniger befremdlich. Das Deutsche Reich ist eine konstitutionelle Monarchie mit einem starken Kaiser, aber auch weitreichender Souveränität der Bundesstaaten. Vergleiche hierzu den Text der Verfassung von 1871. Der Reichstag wird in gleicher, freier und geheimer Wahl alle drei Jahre gewählt. (Mit 25 Jahren können Männer wählen und mit 30 Jahren gewählt werden). Für die Wahl des preußischen Abgeordnetenhauses allerdings gilt der Zenzus, das Drei-Klassen-Wahlrecht von 1849. Hier hat der Verfas- sungsgeber entschieden, daß die Wirtschaftsleistung, gemessen in Steuerleistung, Maßstab der Wahlgrundlage ist.
So werden die Wähler je nach Steuerleistung, in drei Klassen eingeteilt, die jeweils ein Drittel der gesamten Steuerein- nahmen repräsentieren. Daraus ergeben sich unterschiedliche Gewichtungen der Stimmen. 1849 fanden sich in Klasse I 4,9% der Gesamtbevölkerung, in Klasse II 12,7%, in Klasse III 82,6%.Das Wahlsystem ist indirekt, es werden Wahlmänner gewählt- jede Klasse 1/3. Weil das Wahlrecht nicht nur für den preußischen Landtag, sondern auch auf Kommunalebene gilt, bestimmt z.B. Herr Alfred Krupp in Essen regelmäßig alleine die Abgeordneten der I.Klasse.

Bei den Reichstagswahlen wird direkt, gleich und geheim gewählt; seit 1903 stellen die Sozialdemokraten im Reichstag die stärkste Fraktion. Bei den Landtagswahlen wird indirekt,
mündlich und öffentlich gewählt- die persönliche Wahlent- scheidung wird in die Wählerlisten eingetragen. (Das Abge- ordnetenhaus- der LAndtag besteht aus dem Herrenhaus und dem Abgeordnetenhaus). Den Willen auch von höchster Seite, des deutschen Kaisers, den Prozeß der Entwicklung von der konstitutionellen zur parlamenta- rischen Monarchie zu fördern, läßt sich den Osterbotschaften von 1916 und 1917 entnehmen. (Ja, neben dem Papst ver-
kündet auch der deutsche Kaiser zu Ostern gelegentlich frohe Botschaften.) Weil es an der Front mit dem Krieg nicht so Recht vorwärts ging, wurden auch innenpolitisch Zuge- ständnisse gemacht und die Abschaffung des Drei-Klassen- Wahlrechtes für Preußen in Aussicht gestellt. Daraus wird nichts mehr; immerhin bekommt der Reichstag 1916 über sein Portal eine Inschrift „DEM DEUTSCHEN VOLKE". In Bronze-
lettern aus 1813 erobertem französischem Geschütz, vom Kaiser angeordnet. Selbiger hatte sich seit 1894 gegen eine solche Inschrift gewehrt und eigentlich die Worte „DEM DEUTSCHEN REICHE" gewollt.

Auch bei der Umsetzung und der Durchführung der Wahlen und des Wahlrechtes zum Reichstag hatte es permanent Streitigkeiten gegeben, und viele parlamentarische Unter- suchungsausschüsse arbeiteten an der verfassungsmäßigen Umsetzung des Wahlrechtes. Erstaunliche Parallelen. 

100 Jahre später hat sich unser Staat, unsere Verfassung und unser Wahlsystem mehrfach geändert. Die Väter der Verfassung von 1919 haben fest an die Stärke der Demo- kratie geglaubt, daran ist aber die Verfassung und die Re- publik gescheitert, und auch an dem in der Verfassung nicht vorgesehenen Sohn des Reichspräsidenten. Die Weimarer Verfassung war so großzügig auslegbar, daß sie bis 1945 in der Dikatatur pro forma gültig war- einschließlich freier Wahlen mit einer Einheitspartei, bei denen man sich schon verdächtig machte, wenn man die Wahlkabine benutzte.
Immerhin stand noch bei der nachträglichen Volksabstimmung zur Heimholung Österreichs ins Reich ein Nein auf dem Stimmzettel, wenn auch nur halb so groß wie das Ja. 

Im Arbeiter- und Bauernstaat bestand Wahlpflicht, und der Wahlvorgang beschränkte sich auf das Falten und Eintüten des Stimmzettels. In beiden Systemen haben die Wahlleiter die Wahl aber oft genug auf das vorgegebene Ergebnis getrimmt. So kommt man zu 99% Wahlbeteiligungen und Ergebnissen von 99,5%. 

Zweifel an Wahlen- der beste Witz hierzu ist immer noch der unterlegene Kandidat, der klagt:„..daß mich niemand gewählt hat, kann ich noch verstehen, aber daß ich keine einzige Stimme bekommen habe, wo ich mich doch selber gewählt habe.."

Die Verfassungsväter der Bundesrepublik haben sich aufgrund der Erfahrungen des Dritten Reichs eher nicht auf die starken Selbsterhaltungskräfte der Demokratie verlassen und die Ver- fassung und den demokratischen Staat gestärkt. Das kann auch ein Mangel sein- „Mehr Demokratie wagen!" ein be- rühmter Ausspruch des Kanzlers Willy Brandt. Was immer noch bemängelt wird, ist das Fehlen eines Plebiszits zu grundsätzlichen Fragen unserer Politik- das hat unsere Verfassung nicht vorgesehen. Da sind wir wieder beim Eingangsthema des amerikanischen Wahlsystems- zuviel Basisdemokratie wird dem demokratischen Prozess auch in Deutschland von 2004 als abträglich empfunden. 

Ich schätze jetzt einfach mal, daß eine Volksbefragung zur Wiedervereinigung positiv ausgefallen wäre, und ein Ent- scheid zur Einführung des Euros negativ. Mehr Demokratie wagen- warum dürfen die Deutschen den Bundespräsidenten
nicht direkt wählen, d.h. nach der derzeitigen Praxis, über die Vorschläge der Parteien abstimmen? Oder sollten wir den
Präsidenten gleich abschaffen, und den Repräsentationskaiser einführen? Das wäre eventuell preiswerter- man darf ja heutzutage die Kostenfrage nicht vergessen. Ein Bedürfnis nach Monarchie ist ja vorhanden- das läßt sich ja nicht nur an der Yellow Press festmachen, auch die Tagesschau der ARD kokettierte ja heute anläßlich des Besuchs der Queen in Deutschland mit dem Nimbus der Briten eines Königshauses.

Und Deutsche sind sie ja auch, die Gotha-Sachsen-Coburgs,
seit 1917 Windsors, und die Battenbergs, seit 1917 Mount- battens. Die wären auch die erste Wahl- als regierendes Haus deutscher Herkunft. ( Wenn man mal von Queen Mom selig absieht, die in der deutschen Yellow Press immer so gut daherkam- in Wirklichkeit eine große Deutschenhasserin. )
Der legitime Thronfolger, Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, scheint arg aus der Art geschlagen oder adoptiert zu sein- ein Hohenzoller ist das wohl nicht.