|HOME|MAIN|

  MIDI

Text: Hermann Claudius (1915); Melodie: Micheal Englert (1916)

1.Wann wir schreiten Seit' an Seit'
und die alten Lieder singen
und die Wälder widerklingen,
fühlen wir, es muß gelingen:
Mit uns zieht die neue Zeit!

2.Eine Woche Hammerschlag,
eine Woche Häuserquadern
zittern noch in unsern Adern
aber keiner wagt zu hadern!
Herrlicht lacht der Sonnentag!
Birkengrün und Saatengrün:

3.Wie in bittender Gebärde
halt die alte Mutter Erde,
daß der Mensch ihr eigen werde,
ihm die vollen Hände hin.

4.Wann wir schreiten Seit' an Seit'
und die alten Lieder singen
und die Wälder widerklingen
fühlen wir, es muß gelingen:
Mit uns zieht die neue Zeit!

Ein Lied aus dem Umfeld der Arbeiterwandervereine, daß von den Genossen bis
in die 1990er Jahre gerne zum Abschluß der Bundesparteitage gesungen wurde.

|: Mit uns zieht die neue Zeit :|
 
 
Die Genossen singen nicht mehr.
Wilhelm I, Hartz IV und die gemeingefährlichen
Bestrebungen der Solzialdemokratie.

Wer am 27.07.2004 im ZDF die Dokumentation „Seine Majestät (2) aus der
Knopp´schen Werkstatt eingeschaltet und auch bis zum Ende angeschaut hat,
und danach immer noch den gleichen Sender schaute, konnte im Magazin
„Frontal" Kritik an der Hartz IV Umsetzung an Fallbeispielen sehen.

Da läßt sich mit etwas gutem Willen gedanklich mühelos ein Bezug von der
Kaiserzeit zur Gegenwart des Hartz IV Gesetzes herstellen:

Am 21.Oktober 1878 beschließt der Reichstag das "Gesetz gegen die gemein-
gefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie", genannt "Sozialistengesetz".

Die  heutigen „gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie", als
Hartz IV-Gesetz probates Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosenund weniger
der Arbeitslosigkeit, wird Früchte tragen; in der Haushaltskasse der Arbeitslosen,
und bei der Auszählung der Stimmzettel nach den nächsten Wahlen.

In der Sendung über den Kaiser blieb unerwähnt, daß er sich vom Reichskanzler
Bismarck überwiegend aus rein persönlichen Gründen trennte; an sachlichen
Differenzen wäre zu erwähnen, daß der junge Kaiser in seinem Streben nach
Ausgleich und Fürsorge für die Bevölkerung in Vorstellungen über die Sozialsicherung
weit über das hinaus ging, was Bismarck zu geben bereit war. Und mit dem
Sozialistengesetzt von 1878 kommt 1881 auch die kaiserliche Botschaft als
Arbeitsauftrag an den Reichstag- de facto der Beginn der Sozialgesetzgebung
in Deutschland. Faktisch auch ein Mittel, der Sozialdemokratie die Agitationsmittel
gegen den Staat zu nehmen.
125 Jahre später sind es die Sozialdemokraten, die als Regierungspartei mit der
Demontage des Sozialsystems beginnen. Zur Erinnerung die programmatische
Thronrede S.M. Kaiser Wilhelm I vom 17. November 1881, vom Reichskanzler
zur Reichstagseröffnung verlesen und als „Kaiserliche Botschaft" bekannt geworden:

Schon im Februar d.J. haben Wir Unsere Überzeugung aussprechen lassen, daß die
Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozial-
demokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung
des Wohles der Arbeiter zu suchen sei werde.

Wir halten es für Unsere Kaiserliche Pflicht, dem Reichstage diese Aufgabe von Neuem
ans Herz zu legen, und würden Wir mit um so größerer Befriedigung auf alle Erfolge,
mit denen Gott Unsere Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es Uns
gelänge, dereinst das Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde
Bürgschaften seines inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit und
Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen.

In Unseren darauf gerichteten Bestrebungen sind Wir der Zustimmung aller verbündeten
Regierungen gewiß und vertrauen auf die Unterstützung des Reichstages ohne Unterschied
der Parteistellungen.

In diesem Sinne wird zunächst der von den verbündeten Regierungen in der vorigen Session
vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die Versicherung der Arbeiter gegen Betriebsunfälle
mit Rücksicht auf die Reichstage stattgehabten Verhandlungen über denselben einer Um-
arbeitung unterzogen, um die erneute Beratung desselben vorzubereiten. Ergänzend wird
ihm eine Vorlage zur Seite treten, welche sich eine gleichmäßige Organisation des gewerblichen
Krankenkassenwesens zur Aufgabe stellt. Aber auch diejenigen, welche durch Alter oder Invalidität
erwerbsunfähig werden, haben der Gesamtheit gegenüber begründeten Anspruch auf ein höheres
Maß staatlicher Fürsorge, als ihnen bisher hat zu Teil werden können.

Für diese Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine schwierige, aber auch
eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwesens, welches auf den sittlichen Fundamenten
des christlichen Volkslebens steht. Der engere Anschluß an die realen Kräfte dieses Volkslebens
und das Zusammenfassen der letzteren in der Form korporativer Genossenschaften unter staat-
lichem Schutz und staatlicher Förderung werden. wie Wir hoffen, die Lösung auch von Aufgaben
möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem Umfange nicht gewachsen sein würde.
Immerhin aber wird auch auf diesem Wege das Ziel nicht ohne die Aufwendung  erheblicher Mittel
zu erreichen sein.

Was danach geschah: Aus der  „Chronik der sozialen Sicherheit in Deutschland":
 

1883, "Gesetz betr. die Krankenversicherung der Arbeiter": ärztl. Behandlung, Arzneimittel, Krankengeld
1884, Unfallversicherungsgesetz bringt gemeinsame Haftung der Unternehmer gegen Berufsunfälle
1884, Degussa in Frankfurt führt den 8-Stunden-Arbeitstag ein
1889, Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22.Juni (für Arbeiter)
1890, Sozialistengesetz wird aufgehoben, Gewerkschaften werden wieder zugelasen
1890, Gründung von 31 Versicherungsanstalten – Vorläufer der Landesversicherungsanstalten ( LVAs )
1891, Auszahlung der ersten Renten an dauernd Erwerbsunfähige und an Arbeiter über 70 Jahre
1891, Arbeiterschutzgesetz vom 1.Juni (23.Novelle zur Reichsgewerbeordnung): Frauen, Nachtarbeit, Sonntagsruhe, Kinderschutz
1891, Staatliche Gewerbeaufsicht wird eingeführt – Freiwillige Arbeiterausschüsse in Betrieben werden erlaubt
1891, Gewerbeordnung verbietet Sonntagsarbeit in Industrie und Handwerk, November
1892, Krankenversicherungsgesetz überarbeitet: Versicherungspflicht wird erweitert, Familienangehörige werden einbezogen
1895, Sonntagsarbeit wird verboten für das Handelsgewerbe. Verbot setzt sich nur langsam durch
1899, Invalidenversicherungsgesetz vom 13.Juli, reichseinheitliche Invaliditäts- und Altersversicherung
1901, Förderung des Arbeiterwohnungsbaus
1905, Arbeiterausschüsse werden in Bergbaubetrieben zur Pflicht
1908, Höchstarbeitszeit, Nachtarbeit (Frauen, Jugendliche)
1911, Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 19.Juli
1911, Einführung der Hinterbliebenenrente
1911, Versicherungsgesetz für Angestellte vom 20.Dezember
1911, Hausarbeitsgesetz (mit Heimarbeit)
1916, Rentenalter für Arbeiter wird - entsprechend dem für Angestellte - von 70 auf 65 Jahre herabgesetzt
1916, Rentenalter für Frauen wird auf 60 Jahre herabgesetzt
1918, Verordnung über Erwerbslosenfürsorge vom 13.November (RGBl. I S.1305)
1918, Arbeitszeit gewerblicher Arbeitnehmer: 8 Stunden täglich / 48 Std. wöchentlich, ab 23.November
1918, Koalitionsfreiheit / Tarifvertragsordnung

Die o.a. Chronik ist übrigens auf der Homepage tagesaktuell geführt. Wenn man mit Hilfe eines Computer-
programms einfach mal die chronologische Sortierung umkehrt, kann man in etwa den Fahrplan für die
noch in Zukunft folgenden Tagesziele beim derzeitigen Sozialabbau erkennen.