|HOME|MAIN|

Im Auszug: Über Kommiss- und Kriegsbrote.
 
 
Die im Kriege 1914-1918 
verwendeten und zur Verwendung 
empfohlenen Brote, Brotersatz- und 
Brotstreckmittel
unter Zugrundelegung eigener experimenteller Untersuchungen

Zugleich eine Darstellung der Brotuntersuchung 
und der modernen Brotfrage
von
Professor Dr.med. et phil. R.O.Neumann
Geheimer Medizinalrat
Direktor des Hygienischen Institutes der Universität Bonn

Berlin, Verlag Julius Springer, 1920.


S. 138 Die Kriegsbrote im speziellen.
Brote aus Halmfrüchten und deren Abkömmlingen.

Im übrigen hat das bisherige Kommißbrot auch sehr viele Liebhaber gefunden, und es ist eine bekannte Tatsache, daß dasselbe auch in der Zivilbevölkerung wegen seiner guten Beschaffenheit und seines angenehmen Geschmacks geschätzt wurde und begehrt war1).
Nach der Ausnützung hat niemand gefragt, da es ja den Wünschen der Konsumenten entsprach. Man ist erst eigentlich spät, nachdem schon eine große Reihe Ausnützungsversuche an den verschiedensten Broten ausgeführt worden waren, an die Untersuchung der Soldatenbrote systematisch heran- getreten.  Die Versuche sind niedergelegt bei Plagge und Lebbin2). Als Vorläufer der eigentlichen Kommißbrotuntersuchungen existiert von deutschen Kommißbroten nur ein Versuch von Praisnitz 3), der an eine Versuchsperson je 500 g Brot 3 Tage lang mit gemischter Kost verfütterte. Leider ist es nicht angegeben, wie die genaue Zusammensetzung des Mehles war. Es heißt nur, daß das Soldatenbrot aus Roggen und Weizen in verschiedenen Mengen bestand, „je nachdem gerade die Verhältnisse vorhanden sind". Infolgedessen ist ein einwandfreier Vergleich mit den später geprüften Broten nicht vorzunehmen.


 
Das Brot enthielt  59,80%  Trockensubstanz    6,25%  Eiweiß     1,78%  Asche
Der Verlust im Kot  9,40%  Trockensubstanz 31,90%  Eiweiß 19,00%  Asche

Von anderen Soldatenbrotuntersuchungen liegen noch einige Versuche von Popoff4) vor, die mit russischem Kommißbrot ausgeführt wurden. Zu diesem Brot wurde Schrotmehl verwendet, zum Teil mit einem gewissen Kleieabzug. Es enthielt (im Mittel aus 60 Analysen) 43,06% Wasser und 2,55% Asche und ist demnach aschereicher als das preußische Kommißbrot. Die Ausnüt- zungsversuche dauerten je 3 Tage und wurden vorgenommen an russischen Soldaten, die seit jeher an grobes Roggenbrot gewöhnt waren.

        Die Verluste betrugen:         an Trockensubstanz Eiweiß Asche
I. beim Soldatenbrot  des Reservebataillons 12,88 27,42 36,89
II.    "           "   "            " 13,59 28,77 44,04
III.    "           " der Artilleriebrigade 14,99 30,56 36,72
IV.    "           "   "            " 12,67 29,43 19,29
V.    "           "   "            " 17,79 42,50 62,53
VI.    "           "   "            " 21,60 39,07 38,18
VII.    "           " des Reservebataillons 18,61 39,07 65,79
VIII.    "           "   "            " 17,55 42,32 41,26

Wie hieraus ersichtlich, schneidet bei den Popoffschen Versuchen der Roggenzwieback wesentlicher schlechter ab als das Kommißbrot, obwohl er aus dem gleichen Mehl gewonnen wurde. Der Grund liegt offenbar darin, daß bei seiner Herstellung durch die lange Hitzeeinwirkung (es werden Brotschnitten 2-3 Nächte lang im heißen Backofen auf Eisenblechen gedörrt) das Eiweiß zum großen Teil verändert wird und der Resorption nicht mehr wie sonst zugänglich ist.
Bei Vergleichsversuchen mit „süßem Schwarzbrot des Marktes" und mit „schwarzem Hausbrot aus gesiebtem Mehl", welche beide wenig Kleie enthielten(das letztere 18% Kleieabschub wie unser Soldatenbrot) ergeben sich wesentlich niedrigere Zahlen:


 

        Es gingen zu Verlust:  an Trockensubstanz Eiweiß Asche
I. beim süßen Schwarzbrot des Marktes 12,58 25,87 42,05
II.    "       "             "          "       " 11,39 25,63 33,64
III.    "   schwarzen Hausbrot  "       " 8,76 17,81 38,08
IV.    "           "         "          "       "  9,62 18,43 36,47

In den Jahren 1892-1895 sind dann von Plagge und Lebbin die bekannten Untersuchungen über Soldatenbrote und verschiedene andere Brote vorgenommen worden, die sich auch auf Brote aus geschältem und ungeschältem Korn, auf solche aus grob und fein vermahlenem Korn, aus Mischmehl und aus Mehl mit Zusätzen erstreckten. Diese Versuche sind deshalb von besonderem Werte, weil hier zum erstenmal ganz genau angegeben werden konnte, wie das Mehl zusammengesetzt, d.h. wieviel Kleie wirklich im Mehl vorhanden war, da die Mehle und Brote unter Kontrolle der Untersucher selbst im Proviantamt Berlin hergestellt wurden. Auf Kommißbrote entfallen allein 34 Ausnützungsversuche, die von Pannwitz bearbeitet sind. 
Aus dem großen Material, dessen Wiedergabe im einzelnen zu weit führen würde, greife ich einige Zahlen heraus, die als Mittelwerte von untersuchten Brotgruppen einen Überblick über die Resultate ergeben:


 
 
Die Verluste betrugen in %:
Ver-
suche
Trock-
ensub-
stanz
Eiweiß
Kohle-
hydrate
in Gruppe I. Gewöhnliches Soldatenbrot aus grobem
Roggenmehl aus ungeschältem Korn mit
15% Kleieauszug
8 13,20 43,30 8,30
in Gruppe II. Brot aus grobem Roggenmehl von
geschältem Korn mit 8,4% Kleieauszug
2 15,08 56,60 9,04
in Gruppe III. Brot aus grobem Roggenmehl von
geschältem Korn mit genau 15% Kleieauszug
3 12,24 41,44 7,56
in Gruppe IV. Brot aus fein vermahlenem Mehl aus
geschältem Magdeburger Roggen mit 10,84%
Kleieauszug
5 12,24 33,60 7,60
in Gruppe V. Brot aus fein vermahlenem Roggen aus
ungeschältem Korn mit 84% Ausbeute und
12,68% Kleieauszug
2 12,60 39,12 8,32
in Gruppe VI. Brot aus fein vermahlenem Roggenmehl
(Kunstmehl) mit 25% Kleieauszug
3 9,49 33,75 5,61

1) Ratner (Brotmarken in der Bibel nebst einer Physiologischen Notiz über das Schwarzbrot. Hygien. Tundschau 1915, S.308) billigt dem Soldatenbrot sogar medizinische Wirkungen zu und sagt: Das schmackhafte Kommißbrot ist ein vorzügliches Mittel gegen die Kulturkrankheit Obstipation und die daraus resultierende viegelstaltige Nervosität. Ich sah bei regelmäßigem, täglichen Gebrauch einiger Schnitten Kommißbrot die hartnäckigsten Verstopfungen verschwinden. wer das Schwarubrot nicht verträgt, kann es in Form der sehr schmackhaften Brotsuppe genießen.
2) Plagge und Lebbin, bereits zit. auf S. 94
3) Prausnitz, Über die Ausnützung gemischter Kost bei Aufnahme verschiedener Brotsorten. Archiv f. Hygiene 1893, 17, S. 635
4)Popoff, mitgeteilt von Maurizio, Getreide, Mehl und Brot. Paul Parey, Berlin 1903, S. 339.

 
Siehe auch: Die Feldküche