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Infanterie beim Abkochen,
um die Jahrhundertwende.
Gekocht wurde im Kochgeschirr,
daß zur persönlichen Ausrüstung
gehörte, und jeder kochte für sich
selbst. In Ausnahmefällen führte
der Troß auch größere Kessel oder
Töpfe mit, so daß gruppenweise
die Mahlzeit zubereitet werden konnte. Nach 1908 wurde mit
der Einführung von fahrbaren Feldküchen das Verpflegungs-
wesen reformiert.

Der Hintergrund:

Die Ernährung der Zivilbevölkerung im Frieden
Die Gesellschaft im Kaiserreich war eine Klassen- und Standesgesellschaft,
das wollen wir bei der weiteren Betrachtung der Situation nicht vergessen.
Die breite Masse der Menschen lebte bescheiden; und wir befinden uns un-
mittelbar nach der Reichsgründung in einem reinen kapitalistischen Wirt-
schaftssystem. Nach dem Boom der 70er Jahre folgt die große Wirtschafts-
krise, und soziale Absicherungssysteme existieren nicht; erst in den 1890er
Jahren erfolgt die Einrichtung eines Sozialsystemes, bei dessen Errichtung
der Reichskanzler Bismarck nicht unbeteiligt war. Zuviel des Guten wollte
er aber auch nicht, und es war in erster Linie der junge Kaiser Wilhelm II,
der sich hier gegen den Willen des Reichskanzlers verdient gemacht hat.
 

Schließlich hatte die unversöhnliche Auseinandersetzung über die Sozial-
gesetzgebung den Rücktritt des Kanzlers zur Folge. Erst nach 1890, nach
dem Ende der Wirtschaftskrise, begann ein Aufschwung, an dem auch die
breite Masse der Industriearbeiter und kleinen Angestellten - wenn auch in
geringem Umfang- teilhaben konnte. Als Indikator für die Zufriedenheit
der Bevölkerung hier die Auswanderzahlen:
 

1870-1879 0,6  Millionen
1880-1889 1,3  Millionen
1890-1899 0,5  Millionen
1900-1909 0,3  Millionen
1910-1913 0,07 Millionen


Wer die Zeichnungen von Käthe Kollwitz und die Zeichnungen und Photo-
graphien von Heinrich Zille kennt, kann sich von der tatsächlichen Situation
der „einfachen Menschen" ein Bild machen. Der Arbeiter in der Stadt wohnt
schlecht, ist schlecht ernährt und von Krankheit, Unfall und Arbeitslosigkeit
permanent in seiner Existenz bedroht. Der Durchschnittsverdiener bringt
monatlich M 130,-- nach Hause, bei einer Wochenarbeitszeit von 56-60
Stunden. Das reicht nicht, um Frau und Kinder durchzubringen- Nebenerwerb
ist gefragt. 20 bis 25% des Verdienstes wird für die Miete ausgegeben, der
überwiegende Teil des Geldes wird für Brot ausgegeben.

Der Arbeiter ernährt sich von Kohlenhydraten, wenig Fett, wenig Eiweiß. Selbst
den noch heute sprichwörtlichen Sonntagsbraten kann sich nicht jeder leisten.
Suppe, Getreidekaffee, Brot, Kartoffeln, Margarine und Marmelade stehen auf
dem Speiseplan. Fleisch war Luxus, Brot war teuer: Östlich der Elbe wurde auf
riesigen Gütern Roggen angebaut, weil Deutschland eben klimatisch kein Wei-
zenland war und ist. Auf Importgetreide lag zum Schutze der einheimischen
Wirtschaft ein hoher Zoll; weil aber die Getreideproduktion nur drei Viertel des
tatsächlichen Bedarfs deckte,mußte hochpreisiges (Schutzzölle!) Getreide
importiert werden.

In Frankreich (keine Zölle) wude der importierte amerikanische Weizen zu einem
Drittel des deutschen Importpreises angeboten. Frage: In Deutschland wird noch
heute traditionell gerne Roggen- oder Roggenmischbrot gegessen- warum?
Unterernährung war nicht selten; schwerwiegender und häufiger anzutreffen
waren die Folgen einer mangelhaften Ernährung. In den 1880er Jahren etablierte
sich in Anfängen eine Nährmittelindustrie, die aus dem Mißstand ein Geschäft
machte, und zwar durchaus mit guter Absicht; dahinter stand oft die Geschäfts-
idee, einem Mißstand abzuhelfen, und nicht wie heute der Gedanke der Geldver-
mehrung durch überteuerte Instant-Lebensmittel und Fertiggerichten mit zweifel-
haftem Inhalt. Die 1880er Jahre war die große Zeit von Firmen wie Liebig, Knorr
und Maggi, die Jahr für Jahr riesige Rinderherden in Argentinien zu Bouillonwürfeln,
Fleischextraktpulvern und anderen Präparaten umwandelten. Angeboten wurden
sie zu Pfennigpreisen und waren den Armen und Minderbemittelten wirklich eine
Hilfe im Überlebenskampf. Dr. Oetkers Backpulver war ein Renner- backen mit
Erfolgsgarantie.

In dieser Situation, wo der überwiegende Teil des Einkommens für die Ernährung
ausgegeben wird, haben Lebensmittelpreise eine gewichtige Bedeutung. Heutzutage
schämt sich der Einzelhandel nicht, mit der Begründung, in Griechenland sei Streik
oder in Holland Ausfall, für eine Salatgurke Euro 1,20 zu fordern. Wahre Katastrophen
in der Fiedenszeit waren hingegen Mißernten wie 1906 und 1911, die zu einem spür-
baren Anstieg der Preise führte.
 
 

Die Ernährung des Militärs im Frieden
Wer schon einmal einen Speiseplan der heutigen Bundeswehr gelesen hat, wird fest-
stellen, daß  penibel aufgelistet wird, was dem Soldaten verabreicht werden soll, und
zwar mit Bezeichnung und Mengenangaben. („5 g Bohnenkaffee") Dies wird seit den
Zeiten der alten Armee auf den Plänen aller deutschen Armeen so aus Tradition fort-
geführt, nur hat es in heutiger Zeit nicht mehr die historische Gewichtung: Das was
auf dem Plan so portioniert wird, kann auch beansprucht werden. Das macht Sinn in
Zeiten der Nahrungsmittelknappheit, so wie in Kriegszeiten oder im Frieden- dem
vor 1914.

So leben wir in der Kaserne/So leben wir bei Ihr"
Humoristische Postkarte vor 1914. Während es bei der
Liebsten nur Pellkartoffeln gibt, gibt es in der Kaserne..
aber lesen Sie selbst. Tatsächlich unterscheidet sich die
Ernährung der Zivilisten und der Soldaten (der einfachen)
nur graduell, mit einem entscheidenden Unterschied:
Beim Militär ist die Verpflegung garantiert und erfolgt
pünktlich. Und das Militär bietet auch durchaus weitere
Vorzüge. In einem Heimatbuch aus dem Oberbergischen,
traditionell eine ländliche und ärmliche Region, wird eine
Begegnung um 1910 mit einem Soldaten auf Urlaub, im
Zivilberuf Landarbeiter, geschildert. Auf die Frage, wie
es ihm bei den Preußen gefiele, antwortet der Mann:
„So chut hann ech ett noch nie chehatt" („So gut hab´
ich es noch nie gehabt") Drill und Exerzieren haben den an harte Arbeit ge-
wöhnten Bauernknecht nicht beeindruckt,aber regelmäßig Geld, gutes Essen,
dazu einmal die Woche frische Wäsche und Bettwäsche und den Strohsack
einmal alle zwei Monate frisch gestopft- und Sonntags in Kaisers Rock Ausgang-
nach der Kirche. Ob der Mann kapituliert ha? Möglich.

Das Kapitulieren, der Kapitulant- Soldaten, die sich nach Ablauf der
Wehrpflicht freiwillig weiterverpflichten, in der Regel mit dem Ziel der
Unteroffizierlaufbahn. Der „Zwölfender"- ein Berufsoldatentum gab es
in der alten Armee nur für Offiziere. (Und Militärbeamte) Die längst-
mögliche  Dienstzeit betrug12 Jahre.
Aber zurück zur Versorgung der Soldaten. Eine gleiche Verpflegung für alle
Soldaten wuirde erst in der Wehrmacht eingeführt und war danach auch in
der Bundeswehr und der NVA und in der heutigen gesamtdeutschen Bundeswehr
selbstverständlich. Das ist in anderen Armeen- wie der britischen- noch in der
Gegenwart nicht so, wie auch die britische Gesellschaft auch heute noch eine
Klassengesellschaft ist. Auch in betont klassenlosen Gesellschaften- wie die
der Sowjetmenschen- wurde und wird nachfolgend bis heute in Bezug auf die
Armeeverpflegung fein in Stufen unterschieden.

Gleiches gilt für die Armeen des Kaisereiches. Offiziere aßen zu Hause, im Kasino,
im Restaurant. Unteroffiziere zu Hause, im Unteroffizierheim, Mannschaften und
Unteroffiziere als Korporalschaftsführer in der Kaserne. Der Begriff „ zu Hause"
ist relativ- im Kaiserreich gab es Dienstwohnungen für verheiratete Offiziere
und Unterführer in der Kaserne. Warme Speisen und Getränke für die Mann-
schaften wurden in der Küche zubereitet.