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Not macht erfinderisch- Recycling, heute
aus aus ökologischen Gründen
betrieben, war ab 1914 ökonomisches Muß.
Gesammelt und aufbereitet
wurde alles, Küchenabfälle wurden als
Viehfutter verwertet, am Wochenende
ging man in den Wald; man sammelte Pilze, Beeren,
Wildkräuter, Nüsse, Samen.
Zur Ergänzung des eigenen Speiseplans
und für die industrielle Verwertung,
z.B: Gewinnung von Speiseölen und Fetten.
Mangels Baumwolle und Wolle
stellte sich die Textilindustrie auf aus Papier-
und Brennesselfasern gewon-
nene Rohstoffe um, an Schuhherstellung für
die Zivilbevölkerung war kaum
zu denken; Stoffschuhe mit Holzsohlen stellen
hier 1917 den Tiefpunkt der
Versorgung dar.
Ersatz-Aromen wurden synthetisiert, Ersatz wurde
das Zauberwort. Die Kon-
servenherstellung stieg, neue Konservierungsmethoden
wurden entwickelt.
Dörrgemüse- vor dem Kochen stundenlang
einzulegen, und nach dem Kochen
absolut geschmacksneutral und ohne Vitamingehalt,
aber mit unappetitlichem
Geruch wurde als „Stacheldrahtverhau" bekannt.
Die Fleischversorgung war bis 1916 sehr
gut; da das benötigte Viehfutter
nicht zur erzeugen war (Importrate vor 1914: 40%),
wurde der Viehbestand
großzügig weggeschlachtet und von der
Konservenindustrie verarbeitet.
Danach waren Frischfleisch, Wurst u.a. Frischprodukte
rar und teuer. Ab 1914
war das Verfüttern von Getreide verboten;
1915 wurde für die Menschen das
Kriegsbrot eingeführt: Bestehend aus 60%
Roggenmehl, 30% Weizenschrot,
10% Kartoffelmehl. Das brachte das Ende für
Brötchen und Weißbrot, erlaubt
war daneben nur noch die Schwarzbrotherstellung.
Das „Mischbrot" sind die
Deutschen dann nie wieder richtig losgeworden-
erst 1936 wurden die Gesetze
über die zwingenden Zumischungen zur Streckung
abgeschafft worden- um
1939 beim nächsten Krieg wieder eingeführt
zu werden.
Im Weltkrieg veränderten sich die Zutaten
und Mischverhältnisse des Brotes je
nach Versorgungslage- zugemischt wurde alles,
was verfügbar und backtech-
nisch zu verarbeiten war: Kleie, die berüchtigten
Steckrüben, und Zellulosepro-
dukte, die aus Abfällen der Holzverarbeitung
anfielen und lebensmitteltechnisch
aufbereitet wurden. Mit diesen Segnungen wurden
nicht nur die in der Versor-
gungshierarchie ganz unten stehenden russischen
Kriegsgefangenen beglückt,
von denen man annahm, daß der anspruchslose
russische Magen auch eine gute
Zumischung an (lebensmitteltechnisch aufbereiteten)
Streck-, Füll- und Ballast-
stoffen wie Holzmehle oder Strohhäcksel im
Brot vertragen könne. Auch den
zivilen und militärischen deutschen Mägen
wurde dies 1917 durchaus zugetraut.
Im Herbst 1916 fiel die Kartoffelernte im
Reich schlecht aus. Im berüchtigten
„Steckrübenwinter" 16/17 wurden statt Kartoffeln
Steckrüben zugeteilt. Die
Steckrüben waren reichlich vorhanden; angebaut
wurden sie vorher ausschließ-
lich als Viehfutter. In allen Variationen diente
das Viehfutter als Ersatz für die
fehlenden Kartoffeln und ersetzten zu der schlimmsten
Hungerzeit 1917 stellen-
weise das fehlende Brot. Zu ersten Streiks gegen
Lebensmittelknappheit,
schlechte Versorung und hohe Preise war es schon
im Verlauf des Jahres 1916
in einigen Groß- und Industriestädten
gekommen; 1917 gab es Streiks gegen
den Hunger. Das Kriegsernährungsamt
forderte 1916 die Tötung von rund zwei
Millionen Hunden, die als Haustiere als unnütze
Esser eingestuft wurden.
Kaffee, Tee und Tabak. In Deutschland wurde
und wird noch heute Tabak
angebaut, der in die Zigaretten- und Zigarrenproduktion
fließt. Erstaunlich,
aber wahr. Die Produktion deckte aber weder nach
Qualität noch Quantität
die Bedürfnisse, und alle Genußmittel
waren und sind Importwaren, und früher
gab es sie im Kolonialwarenladen. Genußmittel
ist eine treffende Bezeichnung,
denn Kakao, Kaffee, Schokolade etc. waren teuer.
Gelegentlich wird im heu-
tigen Sprachgebrauch noch zwischen „Bohnenkaffee"
und „Malzkaffee" unter-
schieden, im Frieden (vor 1914) verstand man unter
Kaffee den Getreidekaffee.
Echter Bohnenkaffee war Luxus, und den gab es
zu besonderen Gelegenheiten,
zum Beispiel beim Sonntagsausflug. Den brachte
man mit, und an den Lokalen
verhieß ein Aushang: „Hier können Familien
Kaffee kochen". Der Wirt stellte
kostenlos kochendes Wasser zur Verfügung,
vermietete das Geschirr und ver-
diente an Vaters Glas Bier.
Die gelernten DDR-Bürger werden sich noch
an Rondo und Melange erinnern;
für reinen Bohnenkaffee waren zuwenig Devisen
zugeteilt, deshalb war er teuer.
1914 als Folge der Blockade wurden alle diese
Genußmittel knapp und teuer,
und so wurden Surrogate angeboten: Nicht der Getreidekaffe
war der Ersatz-
kaffee, Ersatzkaffee war der Ersatz für den
Getreidekaffee. Aus gerösteten
Eicheln oder getrockneter und gerösteter
Steckrübe wurde das hergestellt.
echter Tee wurde wie vor dem Krieg durch Früchtetee
ersetzt, dazu auch
neu der „deutsche Tee" aus fermentierten Brombeer-
und sonstigen geeigneten
Strauchblättern -ohne Früchte. Die Tabakfabriken
gingen 1917 dazu über,
Buchenlaub zu fermentieren und dem Tabak als Streckmittel
zuzumischen.
Eine Rationierung der Genußmittel erfolgte
nicht, obwohl es gelegentlich
Sonderzuteilungen gab. Verteilungsregulator war
der Laden- und Schwarzmarkt-
preis.