Auf dieser und den folgenden Seiten soll
auf Schrift und Sprache
der Kaiserzeit eingegangen werden; wenn auch nicht
in voller Tiefe-
dem Interessierten stehen die angegebenen Verweise
auf andere
Seiten für weitere Informationen zur Verfügung.
Schreibmaschinen
wie wir sie in der etwa heutigen Form und Funktionsweise
kennen,
sofern sich die Älteren unter uns noch an
solche Geräte erinnern,
standen erst in den 1890er Jahren zur Verfügung
und waren teuer
und selten; der überwiegende Teil der gesamten
Korrespondenz in
der Kaiserzeit handschriftlich, auch behördlicherseits-
oft auf ge-
druckten Vorlagen, den „Vorducken".
Die Überschrift zu diesem Beitrag ist
in Fraktur gehalten,
und sie ist als Grafik in dieses HTML-Dokument
eingebunden,
damit alle Leser dies auch als Fraktur erkennen
können.
Ansonsten sind der Verwendung von Schrifttypen
in HTML
enge Grenzen gesetzt, da ja auch der potentielle
Leser dieser
Seite die bei der Erstellung des Dokuments verwendete
Schrift
auf seinem Rechner installiert haben muß.
Aber wem erzähle ich
das. Auch gibt es keinen UNICODE für Fraktur,
so daß auch keine
automatisierte Datenverarbeitung möglich
ist. (Suchmaschinen
etc.) Schade eigentlich.
Seit den 1950er Jahren im täglichen
Gebrauch nicht mehr ver-
wendet, wenn man von von Zeitungstiteln und den
Überschriften
der Frankfurter Allgemeinen absieht, ist einer
großen Zahl der
heutigen Generation die Frakturschrift so ungewohnt,
daß sie
sie nur mühsam oder überhaupt nicht
lesen können. Entwickelt
hat sich die "gebrochene" Schrift aus den gotischen
Lettern des
11ten Jahrhunderts, die ihrerseits die carolingische
Minuskelschrift
verdrängte. Diese Schriften waren aufwendige
Schmuckschriften,
wie sie in Urkunden und Büchern verwendet
wurde. Verschiedene
Entwicklungen machte die Frakturschrift durch,
als "Schwabacher
Schrift" hat sie weite Verbreitung durch den Buchdruck
und die
Gutenberg/Luther-Bibel gefunden. Seit dieser Zeit
fand sie im
mitteleuropäischen Raum Verwendung, und weil
dieser Raum fast
deckungsgleich mit dem "Heiligen römischen
Reich deutscher Nation"
war, wird die Frakturschrift von den Deutschen
und Nichtdeutschen
als "Typisch deutsch" eingestuft- zunächst
vollkommen zu Unrecht,
denn der Urtyp, die "Gotische", wurde in Nordfrankreich
entwickelt.
Während der Renaissance entwickelte
man eine weitere neue
Schrift- die "Antiqua", die aus der lateinischen
Großschrift abgeleitet
wurde, und die sie gerade in Form der Schrifttype
"Arial" oder "Verdana"
lesen. Die Fraktur hat sich im deutschen Sprachraum
lange gehalten;
so wie Luther mit seiner Bibelausgabe die Grundlage
für eine allgemein
angenommene hochdeutsche Sprache bot, wurden Gutenbergs
Lettern
als der Standard für den Buchdruck angesehen.
In Deutschland überwog
bis 1941 der Anteil der in Fraktur gedruckten
Bücher; heftig gestritten
wurde über die Schrift aber immer. So wie
die Bundesbürger sich als
Nation über die Deutsche Mark definierten,
erfüllte die Fraktur für weite
Teile der deutschsprachigen Bevölkerung eine
Identifikationsfunktion.
Unter den Intellektuellen gab es zu allen Zeiten
einen Disput über Vor-
und Nachteile der Schriften, der insbesondere
in der Zeit nach der Reichs-
gründung aufflammte, weil das neue Reich
sich neue, einheitliche Gesetze,
Währung, Maßeinheiten, nationale Symbole,
Rechtsschreibung usw. gab.
Sogar in mehreren Reichstagssitzungen wurde zwischen
1908 und 1911
das Thema "Fraktur oder Antiqua" behandelt, allerdings
ohne Ergebnis-
alles blieb wie zuvor, und jeder Verleger und
jede Behörde verwendete
die Schriften, wie es gerade beliebte.
Und das blieb so bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten,
die
per Erlaß verfügten, daß Partei
und Staat die deutsche Schrift zu
fördern hätten; neben - ernsthaften-
Überlegungen, Schreibmaschinen
mit gotischen Typen einzuführen, wurden auch
Straßenschilder in Fraktur-
schrift eingeführt. Die Nürnberger Gesetze
erschienen in Fraktur, ebenso
wie eine Verfügung des Reichsministeriums
für Volksaufklärung und Propa-
ganda von 1937, betreffend den jüdischen
Buchhandel:
Im jüdischen Buchhandel waren alle Veröffentlichungen
und Druck-
sachen ausschließlich in Antiqua zu erstellen.
Somit war den Juden
die Verwendung der "deutschen" Schrift verboten.
1940 machte die Parteiführung in Bezug auf
die deutsche Schrift aber
eine Wendung um 180 Grad. Ab diesem Zeitpunkt
entschied Goebbels
per Erlaß, daß für das Ausland
bestimmte Schriften ausschließlich in
Antiqua zu erfolgen hätten; 1941 schließlich
entschied die Partei, daß
die sogenannte "gotische" Schrift überhaupt
keine deutsche sei, sondern
im Mittelalter von jüdischen Buchdruckern
eingeführt worden sei.
Und aus diesem Grund sei die Antiqua ab sofort
als "Normalschrift" zu be-
zeichnen und zu verwenden.
"
..Die Verwendung der Schwabacher Judenlettern
durch Behörden wird künftig unterbleiben;
Ernenn-
ungsurkunden für Beamte, Strassenschilder
und dergl.
werden künftig nur mehr in Normal-Schrift
gefertigt
werden..."
Schreibt der Leiter der Partei-Kanzlei, Martin
Bormann.
Auf dem Briefbogen der NSDAP, oben mit "Schwabacher
Judenlettern", aber schon ganz aktuell mit Antiqua-
Schreibmaschinenlettern, denn die gotischen hatten
sich ja nicht so recht
durchsetzen können. 1942 erscheint die Ausgabe
des Duden erstmalig in
Antiqua, und die Grundschulen lehren die "Normal-Schrift",
dem Rest der Welt
als "lateinische Schrift" bekannt, aber soweit
wollte man ja auch nicht gehen.
Die Wehrmacht verlangt weiterhin per Dienstvorschrift
"daß alle Meldungen
in deutscher Schrift" zu erstellen sind. Somit
tragen die Nazis maßgeblichen
Anteil am Verschwinden der "deutschen Schrift",
wenn dies auch keinen hohen
Bekanntheitsgrad erlangt hat- nicht im Ausland,
wo es beim Stereotyp
Fraktur= typisch deutsch bleibt. Treppenwitz der
Geschichte: Das Frakturverbot
der Nazis scheint den heutigen Rechtsextremisten
nicht bekannt zu sein, anson-
sten würden sie die Fraktur als Identifikationsobjekt
nicht verwenden.
Handschriften- was Sie hier sehen, ist eine
der vielen deutschen Handschriften,
aber kein Sütterlin. Bei der gezeigten
Schrift handelt es sich um eine gängige
Form der Kurrent-Schrift, wie sie in Deutschland
in wechselnden Moden einige
Jahrhunderte lang verwendet wurde. Auch die Handschrift
unterlag immer dem
generellen disput: Lateinisch oder deutsch. In
den Schulen wurde- regional
oder lokal unterschiedlich- beides gelehrt. Wie
bei den Drucklettern schieden
sich die Geister; Auftrieb gewann die deutsche
Handschrift in der Zeit der Be-
freiungskriege, als bewußte Abgrenzung gegen
die "welschen" Franzosen.
So wie man sich schon lange eine einheitliche deutsche
Rechtsschreibung
wünschte, waren auch die Pädagogen an
einer einheitlichen Schrift als
Schulschrift für die Erstklässler interessiert-
dabei ging es in erster Linie
aber immer um die Einheitlichkeit, und nicht um
den Schrifttyp. Gelehrt
wurden zu Beginn überall die lateinischen
Großbuchstaben. Dem Mißstand
rückte das preußische Kultusministerium
1911 zu Leibe, indem eine Arbeits-
gemeinschaft von Pädagogen eingerichtet wurde,
die neue Lehrmethoden
und Schreibmethoden entwickeln sollten. Ludwig
Sütterlin leitete die
Kommission; Sütterlin selbst war kein Pädagoge,
sondern Schriftkünstler.
Und ganz nebenbei wurden so auch neue Ausgangschriften
entwickelt,
und zwar lateinische und deutsche, wobei
nur die letztere unter dem
Namen des Künstlers bekannt wurde und
fälschlicherweise mit der
deutschen Kurrentschrift gleichgesetzt wird.
Die Sütterlin-Schrift wurde 1914 erstmals
an Schulen erprobt, und 1924 in
Preußen an den Grundschulen eingeführt,
in den anderen Ländern später,
zuletzt 1933 in Bayern. Die Sütterlin-Schrift
hat sich gegen zeitgleiche Mit-
Bewerber (Offenbacher Schreibschrift) als Anfänger-
und Lernschrift durch-
gesetzt. Es ist eine harmonische Schrift, mit
großer Gleichförmigkeit, da sie
in drei gleichen Maßeinheiten- siehe Linienblatt-
geschrieben wird. Als
Schulschrift ist sie eine Bandschrift, d.h: Sie
wird mit einem spitzen Schreib-
gerät in gleicher Linienstärke geschrieben.
Zur deutschen Handschrift oder
Kurrentschrift wird sie, wenn man sie neigt, und
vor allem mit einer abge-
flachten Feder schreibt- dann werden die Aufstriche
zur Haarlinie, und die
Abstriche fett. Das sieht sehr elegant aus, fördert
die Lesbarkeit und wird
von den Fachleuten Schnurschrift genannt. Abgeschafft
wurde die Sütterlin-
Schrift gleich der Fraktur 1941, weil sie ja ab
diesem Zeitpunkt als "jüdisches
Machwerk" eingeordnet wurde. Der Führer hat´s
schon früh gewußt oder zu-
mindestens geahnt. Vielleicht hat er auch in Linz
nicht richtig schreiben
gelernt, denn der Führer schrieb gemischt
mit deutschen und lateinischen
Lettern.
Schulbuch, Preußen, um 1910*Beginnend schon 1941 wurde an den Grundschulen dann die "Normal-Schrift"
In den aktuellen Ausgaben des Duden werden
noch die Besonderheiten des
Schriftsatzes der Fraktur behandelt- wobei wir
schon beim nächsten Thema
angelangt sind. Rechtschreibung- bis in neuester
Zeit hatten wir eine einheitliche,
die kaum jemand ganz beherrschte, und jetzt haben
wir drei: Die neue offizielle,
die für Schulen und Behörden verbindlich
ist, die alte, die demonstrativ von
einigen Verlagen, Schriftstellern, der Wirtschaft
und einem Großteil der Bevöl-
kerung fortgeführt wird, und die Zwischenlösung
einiger Verlage, die ihre eigene
gemäßigte Reform anwenden. Das ist
ein Greuel/Gräuel. Aber das kennen wir ja.
Bis Mitte des 19ten Jahrhunderts gab es keine Regelungen;
man schrieb, wie man
sprach, und an den Schulen lernte man das, was
der Lehrer lehrte. Das Königreich
Hannover führte 1855 an den Schulen eine
einheitliche Rechtsschreibung ein; das
preußische Kultusministerium forderte noch
1862 per Erlaß, daß zumindestens an
der gleichen Schule eine einheitliche Rechtschreibung
gelehrt würde! Reformbedarf
per se war also schon vorhanden. Nach der Reichsgründung
sollte für eine einheit-
liche Rechtschreibung in allen Ländern gesorgt
werden; eine erste Konferenz fand
1872 statt, jedoch wurden die Ergebnisse nicht
angenommen. Erst 1901 auf der
"Zweiten Orthographischen Konferenz" in Berlin
wurde man sich über eine einheit-
liche Rechtsschreibung einig, die auch gleichzeitig
mit einer Reform einherging;
Mit dabei auch Konrad Duden, der mit seinem 1880
erschienenen Werk Grund-
lagen geschaffen hatte, indem er zumindestens
die bestehende Gesetzmäßigkeiten
im Sprach- und Schriftgebrauch analysiert und
dokumentiert hatte. Grundlage der
neuen deutschen Rechtsschreibung waren dann die
preußische und die bayerische,
die sich nur marginal unterschieden. (Die Preußen
hatten es zwischenzeitlich doch
noch zu einer eigenen Regelung gebracht, indem
sie die bayerische weitgehend
übernommen hatten!).
Der Kaiser wollte nicht, daß an seinem
Thron gerüttelt wird.
Schließlich trat die neue Rechtschreibung
für Schulen und Behörden 1902 in Kraft,
und damals wie heute waren alle deutschsprachigen
Staaten - Österreich, Schweiz,
Deutschland - beteiligt. Eher Normierung denn
Reform, wurden einige Konsonanten
ersetzt- aus c wurde k, aus th wurde t - und der
Kaiser griff persönlich ein: Thron
wurde auch weiterhin mit th geschrieben, S.M.
schritt fortan durch Tor und Tür zum
Thron, und bedang sich auch aus, daß
an S.M. gerichtete Korrespondenz nur nach
der "alten" Rechtschreibung zu erfolgen habe.
*
Linke Seite:
die Trompeten schmettern.
die Trommeln rasseln.
die Fahnen flattern.
die Räder knattern.
die Säbel blinken.
die Helme blitzen.
die Sporen klirren.
die Pferde traben:
trib trab, trab trab.
Rechte Seite:
Hurra, die Soldaten!
die roten Kragen,
die blauen Röcke,
die weißen Riemen,
die schwarzen Pferde,
der graue Staub.