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Nicht alle in den Kritiken
besprochenen Bücher sind heute noch leicht verfügbar;
Jüngers Stahlgewitter und Renns
Krieg finden noch in Neuauflagen statt, der Opfergang
des Fritz von Unruh findet in den
Grabbelkisten des Antiquariates statt. Das Buch
„Opfergang", in der
französischen Ausgabe „Verdun" betitelt, ist heute-
vollkommen
zu Unrecht- in Vergessenheit geraten.
Es erschien 1918 im Druck, geschrieben und
veröffentlicht wurde es jedoch
bereits 1916. Wenn man die Enstehungsgeschichte und die
Vita des Autors kennt, weiß
man, warum das Werk so bedeutend ist:
Fritz von Unruh, preußischer
Adel und Offiziersfamilie, Vater General, auf Kadettenschulen
erzogen, mit den preußischen
Prinzen und insbesondere dem Kronprinzen als Schul- und Spiel-
kamerad seit der frühesten
Jugend verbunden. Die wahre Berufung Schriftsteller; erstes wichtiges
Werk „Offiziere" 1910, deshalb
den Abschied genommen, 1914 wieder freiwillig gemeldet.
Als Kompagniechef und Bataillonschef
Fronterfahrung. Als guter Freund des Kronprinzen im
März des Jahres 1916 beauftragt,
das historische Ringen um Verdun in Worte zu fassen.
Unter Vorbehalt des Schriftstellerethos
nur die eigene künstleriche Sicht zu zeigen, akzeptiert.
Entstanden ist eine unmittelbar
zeitnahe Erzählung des großen Ringens um Verdun,
die
im Feuer vor Verdun entstand, und
bis heute darunter leidet, daß Fritz von Unruh sich eines
expressionistischen Stils bedient,
der den Zugang zu seinem Werk bis heute für die breite
Masse verschließt. Noch bevor
die Schlacht um Verdun abgebrochen oder gar entschieden
war, war das Werk vollendet. Der
Autor durfte aus dem Manuskript in einer Lesung vor dem
Kronprinzen und dessem versammeltem
Stab am 16. Juni vorlesen; am nächsten Tage erhielt
er einen Marschbefehl und eine Versetzung
zu einem Sturm-Pionierbataillon an der vordersten
Front, mit dem Auftrag, als Führer
einer Erkundung die Stärke der feindlichen Linien festzu-
stellen.
Zur Ehrenrettung des Kronprinzen
sei erklärt, daß er an dieser Versetzung keinen Anteil hatte
und drei Tage später, als er
davon erfahren hatte, den Kadettenfreund von Unruh in die Etappe
versetzt hat. Das Werk „Opfergang"
wurde indiziert, aber im Dezember 1918 erstmal veröffent-
licht. Es ist bezeigt, daß
in deutschen Gräben um 1917 aber schon Abschriften zirkulierten.
Fritz von Unruh war nach dem Weltkrieg
als Schriftsteller tätig, emigrierte vor dem folgenden
Krieg in die USA und kehrte in den
50er Jahren in die Bundesrepublik zurück. Mit zutreffender
Weitsicht hatt er bereits 1936 erklärt,
daß die Nazionalsozialisten einen Krieg vorbereiten, und
daß nach diesem Krieg
„ Auf dem Potsdamer Platz Schafe weiden werden", und diese
Prophezeihung hat sich tatsächlich
ja so auch erfüllt.