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Frankreich rüstete für einen neuen Waffengang, und fand auch in der
Politik neue Verbündete: England und Rußland. Rußland, das nach dem
russisch-japanischem Krieg von 1905 seinen Status als Kontinentalmacht
verloren hatte, sah in den Gegner Deutschlands natürliche Verbündete,
um die alte Größe wiederzugewinnen.

Das deutsche Reich sah sich also zahlreichen potentiellen Feinden ge-
genüber, und richtig bewußt wurde man sich der Lage nach 1905. Hatte
man bis dahin zwar technologiebewußt prestigeträchtig eine moderne
Flotte aufgebaut, ruhte die Rüstung ansonsten. Im Reich mit 60 Millionen
Einwohnern leistete man sich eine Wehrpflichtigenarmee, die zu einem
zweijährigem Wehrdienst höchstens 42 % eines Jahrganges einberief,
während Frankreich , mit einer Bevökerung von 42 Millionen, 80 % der
Wehrpflichtigen zu einem dreijährigen Dienst einberief und somit de facto
hinsichtlich der Heeresstärke im Vorteil war. Insgesamt steht das Reich
um 1905 bezüglich der Rüstungsausgaben an Stelle fünf, und dabei in-
vestieren Frankreich und England  jeweils mehr als das Zweifache in ihre
Rüstung als das Reich.

Das ändert sich bis 1914- 1912 arbeitet man sich in der Statistik auf
Platz drei empor. Heute wird das als deutsche Kriegsvorbereitung inter-
pretiert, aus historischer Sicht ist es der Versuch, mit den potentiellen
Gegnern in einem potentiellen Konflikt zumindestens gleichzuziehen.
Mit einer Strukturreform von 1908 wird dem Bedrohungsszenario
Rechnung getragen. Man spricht von einer "Heeresvermehrung", neu-
deutsch Aufrüstung. Neue Regimenter werden aufgestellt, das Ersatz-
wesen wird neu organisiert, Wehrpflichtige und taugliche Männer werden
verstärkt einberufen- bis zu einer Quote von 52%. Eine Verlängerung des
Wehrdienstes von 24 auf 30 Monaten wird vom Reichstag 1910 abgelehnt.

Im Rahmen der Heeresreform finden auch die nachhaltigsten Änderungen
in der Struktur und Ausrüstung des Heers statt. Die Bereiche der A.O.K. werden
geändert, was nicht unerheblichen Einfluß auf die Standorte der Regimenter hat.
Die Erfahrungen aus den Kolonialkriegen und den Konflikten anderer Nationen
(Burenkrieg, russisch-japanischer Krieg) sowie die technische Entwicklungen
zeigen Einfluß im Erscheinungsbild der Truppe:

Um 1907/08 finden Versuche mit einer neuen Uniform statt, deren Farbe eine
Schutzfunktion erfüllen soll. Die neue feldgraue Uniform 1907/10 wird 1910
als Felduniform eingeführt. In Anlehnung an den den Waffenrock M 1849 ver-
fügt sie über einen Umlegekragen, zudem hat sie zwei Taschen mit schräg
aufgesetzten Patten auf der Front. Die hinteren Patten werden zunächst mit
Pattentaschen, später ohne, die Patten als Dekoration, als Stilelement fort-
geführt. Der Rock 1907 ist an der Front, and den Aufschlägen und Patten
weiterhin poceau-rort vorgestoßen, als Neuerung hat der Rock auch Schulter-
klappen in Grundtuchfarbe, die ebenfalls rot vorgestoßen sind. Der seit 1910
eingeführte Bezug für die Helme in hellbraunem Stoff mit der aufgenähten
Regimentsnummer in rot wird als Teil der neuen Felduniform übernommen.

Zu der neuen feldgrauen Uniform werden neue Knöpfe und Haken einge-
führt. Die Knöpfe und Knopfhaken zeigen nunmehr eine eingeprägte
preußische Krone, die Seitenhaken ein Perlmuster. Die feldgraue Uniform
wird zunächst nur für Manöver ausgegeben, und findet im Inventarsystem
als "Neue Felduniform" und "Extra-Garnitur" neben den (blauen) Uniformen
der ersten bis fünften Garnitur Eingang. Der neugeschaffene Terminus
"Feldgrau" bezeichnet einen Wollstoff, der in Wirklichkeit grüne und graue
Töne aufweist. Er hält sich bis 1945 in der Bezeichnung, obwohl das Uniform-
tuch bis dato zu einem gelblich-grünen Mischton mit deutlicher Dominanz
des "Grün" mutiert ist. Feldgrau des Jahres 1907/10/14 ist ein mittlerer
Mischton aus grün und grau, und schon vor 1914 wird festgestellt, daß sich
die Hosen im täglichen Gebrauch deutlicher abnutzen als die Röcke. Folge-
richtig wird 1914 eine nunmehr "steingraue" Hose eingeführt, die so bis
1941 in der nachfolgenden Reichswehr und Wehrmacht in deutlichem
Farbkontrast zum Waffenrock so getragen wird.

Zum bis 1902 wirklich in allen aktiven Einheiten eingeführten Gewehr des
Modells 1898 wird 1908 eine vollkommen neue Patronentasche eingeführt.
Bis dahin wurden seit 100 Jahren mehr oder weniger kastenförmige Modelle
verwendet. Das letzte Vorgängermodell konnte drei Laderahmen mit jeweils
fünf Schuß fassen. Das neue Modell 1908 zeigt drei auf einem gemeinsamen
Lederrücken aufgenähte, einzeln bedienbare Taschen, die mit einer Lederlasche
und einem Dorn verschließbar sind. Links und rechts sind nunmehr 45 Patronen
auf dem neuen Mauser-Ladestreifen aufgezogen, verstaut. Das bedeutet eine
Verdoppleung des Munitionsvorrates. Zusätzlich hat der neue Tornister von
1888 links und rechts von außen leicht erreichbare Fächer in der Deckelklappe,
in welchen jeweils ein Päckchen = 30 Schuß der neuen Infanterie-Patrone ent-
halten sein sollen. Zu der neuen Felduniform sollen alle Lederteile braun getragen
werden, infolge werden Koppel, Patronentaschen, Seitengewehrtaschen, die
Riemen der Tornister, deren Belederung etc. in natur- bzw. dunkelbraun,
(je nach Gerbungsdauer), hergestellt und ausgeliefert.  Ab 1915 werden alle
Lederteile wider  in schwarz ausgeliefert oder müssen nach Anweisung von der
Truppe schwarz geputzt werden.

Im Felde  regiert das "Abkochen" , will heißen, die Truppe kocht selbst
Wasser oder Mahlzeiten in Töpfen oder Kochgeschirren. 1908 wird das
Versorgungssystem durch die Einführung einer Feldküche revolutioniert.
Fortan wird in einem Topf für die Kompanie Mahlzeiten zubereitet- 1908
wird ein Eßgeschirr aus Aluminium oder emailliertem Eisenblech eingeführt,
welches das bis dahin in Gebrauch befindliche - wesentlich gößere-  Koch-
geschirr aus verzinntem Eisenblech (Weißblech) ablöst. Das Modell von
1908 faßt einen 3/4 Liter und wird 1935 in der Wehrmacht von einem in der
Höhe reduzierten Modell abgelöst, die DDR-Armee führt ein Wehrmachts-
ähnliches Modell fort, die Bundeswehr entwickelt es zu einem dreiteiligen
Modell mit zusätzlichem Einsatz weiter. Die Gestaltung von 1908 hat Maß-
stäbe gesetzt- heute würde man sagen, das Grunddesign hat sich nicht
verändert. Der aufmerksame Beobachter wird  im Versuch feststellen
können, daß alle Deckel und Töpfe bis heute kompatibel sind.

1908 ist das Datum für die Einführung neuer Ausrüstungs- und Waffen-
systeme. Neben dem Fernglas (Doppelglas) 08 finden sich als Neuerungen
eine Maschinenwaffe, das Maxim-Modell , das bereits 1901 als Modell
01 versuchsweise eingeführt wurde, nunmehr als Modell 08 als Standard-
waffe im Heer eingeführt wird. Die Luger-Pistole wird angenommen.
Alle diese Neuerungen in der Ausrüstung bedingen auch neue Ausrüstungs-
teile zu der neuen Uniform.